Orbán-Gegner hoffen auf Druck von IWF

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OrbnGegner hoffen Druck(c) EPA (LAJOS SOOS)
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Allen Massenaufmärschen zum Trotz: Ungarns Opposition ist innenpolitisch marginalisiert und kann nur wenig ausrichten. Ihre einzige Hoffnung ist, dass der Internationale Währungsfonds Orbán in die Knie zwingt.

Budapest. „Orbán und sein Regime hängen uns zum Hals heraus! Wir müssen den Amoklauf dieser Regierung endlich stoppen! Sie hat nicht nur den demokratischen Rechtsstaat zertrümmert, sondern auch das Land in den wirtschaftlichen Abgrund geführt!“

Die emotionsgeladenen Worte des 30-jährigen Soziologen Sándor stehen stellvertretend für den geballten Frust der zehntausenden Menschen, die am Montagabend vor der Budapester Staatsoper gegen die rechtskonservative Regierung von Viktor Orbán und die neue ungarische Verfassung demonstriert haben. Immer wieder skandierte die Menge „Orbán verschwinde!“ und „Genug!“.

Derweil wurde in der Oper im Beisein von Premier Orbán und Staatsoberhaupt Pál Schmitt das Inkrafttreten der neuen Verfassung mit barockem Pomp zelebriert. Von der parlamentarischen Opposition war niemand da – was nicht weiter verwunderte, wurde doch das Grundgesetz nur mit den Stimmen der Regierungsparteien Fidesz-KDNP verabschiedet, die über eine Zweidrittelmehrheit im Parlament verfügen.

Orbán stellt sich taub

Die neue Verfassung und die mit ihr einhergehenden Veränderungen (siehe unten) haben der Regierung auch heftige Kritik aus dem Ausland eingebracht. Bei Orbán stieß sie auf taube Ohren. Mahnbriefe von EU-Kommissionschef José Manuel Barroso in Sachen Notenbankgesetz? Denkste! Ein Brief von US-Außenministerin Hillary Clinton, in dem sie ihre Sorge über die demokratiepolitisch fragwürdigen Schritte ausdrückt? Ach was! Die Herabstufung der Kreditwürdigkeit Ungarns durch zwei Ratingagenturen auf den Status „Ramsch“? Unsinn! Die Regierung lässt sich bei der Verfolgung ihrer Ziele durch nichts beirren. Vorläufig zumindest.

Die Regierungsgegner, die seit der Parlamentswahl 2010 fragmentiert und teils untereinander zerstritten sind, sehen nun im Internationalen Währungsfonds (IWF) die einzige Instanz, die Orbán doch noch zur Räson bringen könnte. Ende des Vorjahres hat die Regierung zähneknirschend Verhandlungen mit dem IWF über ein Kreditabkommen angekündigt.

Der Grund: Wegen der Schuldenkrise in Europa und der Konjunkturflaute in Ungarn – für die nach Ansicht vieler Beobachter auch missglückte Reformen von Wirtschaftsminister György Matolcsy mitverantwortlich sind – ist Ungarn wie schon 2008 in eine finanzielle Notlage geraten.

Die Schätzungen für die Finanzlücke 2012 liegen zwischen fünf und zehn Mrd. Euro, und auf den Anleihenmärkten kann sich Ungarn nicht refinanzieren, denn die Renditen, die Budapest den Investoren bieten müsste, sind (nicht zuletzt wegen der schlechten Ratings) zu hoch.

Ungarn braucht also dringend Geld vom IWF. Dieser dürfte einem Kredit aber nur dann zustimmen, wenn das Land Auflagen erfüllt, darunter womöglich die Änderung des Notenbankgesetzes. Dieses soll gewährleisten, dass die Nationalbank MNB künftig am Gängelband der Regierung hängt.

„Informelle Verhandlungen“

Konkret darf der Premier von nun an die Mehrheit der Mitglieder des obersten Entscheidungsgremiums der MNB selbst ernennen. In den Augen der Regierungskritiker ist damit die allerletzte Bastion des staatlichen Institutionensystems gefallen, die gegenüber der Regierung noch unabhängig war.

Orbán gibt sich derzeit noch unbeugsam: Ungarn sei auf den IWF nicht angewiesen, sagte er kürzlich. Schon am 11.Jänner soll es aber „informelle Verhandlungen“ mit dem IWF geben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.01.2012)

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