Ägypten-Wahl: Mehr als 70 Prozent für Islamisten

EGYPT PARLIAMENTARY ELECTIONS
EGYPT PARLIAMENTARY ELECTIONS(c) EPA (Khaled Elfiqi)
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Das offizielle Wahlergebnis steht fest. Die meisten Sitze entfallen auf die Partei der Muslimbruderschaft und ihre Bündnispartner, die 45,7 Prozent erringen konnten.

Bei der ersten freien Parlamentswahl in Ägypten haben die Islamisten auf ganzer Linie gesiegt. Sie erhielten nach dem amtlichen Endergebnis 70,4 Prozent der 498 Mandate, wie die ägyptische Zeitung "Al-Shorouk" am Freitagabend auf ihrer Webseite berichtete. Die Politik in Ägypten wird sich damit künftig noch stärker am Islam orientieren. Es wird außerdem erwartet, dass Ägypten einen härteren Kurs gegenüber Israel einschlagen wird als zu Zeiten des im Februar 2011 gestürzten Langzeitmachthabers Hosni Mubarak. Die erste Parlamentssitzung ist am Montag geplant.

Großer Wahlsieger ist die Partei der Muslimbruderschaft sowie ihre Bündnispartner, die 45,7 Prozent der Stimmen erringen konnten. Diese Parteien bezeichnen sich selbst als "moderat islamisch". Allerdings wünschen sie eine noch stärkere Rolle der Religion im Staat als beispielsweise die tunesische Islamisten-Partei Ennahda.

Radikal-Islamisten auf Platz zwei

Für die größte Überraschung sorgte die radikal-islamische Partei des Lichts ("Hizb al-Nour"). Diese landete auf dem zweiten Platz und sicherte sich gemeinsam mit anderen kleineren Parteien aus dem Lager der sogenannten Salafisten 24,6 Prozent der Sitze.

Die traditionsreiche liberale Wafd-Partei belegt demnach mit 8,4 Prozent den dritten Platz, gefolgt von der neuen liberalen Ägyptischen Allianz mit 6,6 Prozent. Die sogenannte Revolutionsjugend, die im vergangenen Jahr mit Massenprotesten den Sturz von Präsident Hosni Mubarak herbeigeführt hatte, ist in dem neuen Parlament kaum vertreten.

Bei der Wahl, die in drei Etappen stattfand und sich vom 28. November bis zum 18. Jänner hinzog, waren insgesamt 498 Sitze zu vergeben. Weitere zehn Mandate darf der Oberste Militärrat verteilen, der nach dem Sturz von Mubarak die Macht übernommen hatte. Unter Mubarak waren diese Plätze traditionell an Frauen und Angehörige der christlichen Minderheit vergeben worden.

Die erste Parlamentssitzung ist für den kommenden Montag geplant. Dann steht die Wahl des Parlamentspräsidenten an. Es wird erwartet, dass der Generalsekretär der Partei der Muslimbrüder, Saad al-Katatni, gewählt wird. Seine beiden Stellvertreter werden wahrscheinlich ein Mitglied der Wafd-Partei und ein Mitglied der Partei des Lichts.

Bis zum Sommer sollen die Ägypter außerdem noch die Abgeordneten der Zweiten Kammer (Shura-Rat) wählen. Dann soll unter Mitwirkung des Parlaments eine neue Verfassung formuliert und dem Volk zum Referendum vorgelegt werden. Im Juni steht dann die Präsidentschaftswahl an.

"Große Krise" mit Israel erwartet

Der israelische Nahost-Experte Yoram Meital erwartet nach dem Wahlsieg der Islamisten eine "sehr große Krise" im Verhältnis zwischen Israel und Ägypten, aber keinen Bruch. "Der Wahlsieg der Muslimbrüder und der Salafisten ist beispiellos", sagte Meital der Nachrichtenagentur dpa. Israel reagiere auf den überragenden Wahlsieg der Islamisten mit "Entsetzen". "Damit hat wirklich niemand gerechnet."

Es sei aber wichtig, sich vor Augen zu führen, dass es heute in Ägypten vier verschiedene Machtzentren gebe. Neben dem Parlament gebe es auch den Präsidenten, die jugendlichen Demonstranten sowie den Militärrat. Die rechtsorientierte Regierung von Benjamin Netanyahu habe eine eher eindimensionale Sicht auf die Entwicklungen in Ägypten, sagte Meital weiter. "Sie sehen nicht das ganze Bild."

"Alles, was mit den bilateralen Beziehungen zusammenhängt, steuert auf eine sehr große Krise zu", sagte der israelische Experte. "Die Verpflichtung Ägyptens gegenüber dem Friedensvertrag mit Israel wird sich jedoch in der nächsten Zukunft nicht ändern." Das Land hänge zu sehr von den US-Zahlungen ab und habe nicht zuletzt wegen des Tourismus ein großes Interesse an regionaler Stabilität.

"Es ist aber mit sehr viel mehr Kritik aus Ägypten gegen die israelische Palästinenserpolitik zu rechnen", sagte er. Der ungelöste Konflikt verstärke auch den ohnehin bestehenden Antisemitismus in dem arabischen Nachbarland. "Das war in der Vergangenheit richtig und heute ist es umso bedeutender."

Seit dem Sturz Husni Mubaraks habe sich die Rolle Ägyptens im Nahost-Konflikt grundlegend geändert. "Ägypten ist nicht mehr Verbündeter Israels, sondern heute der wichtigste Beschützer der (im Gazastreifen herrschenden) Hamas." Im Falle eines neuen Gazakriegs sei eine erhebliche Verschärfung der Spannungen mit Israel zu erwarten. "Ich glaube allerdings nicht, dass es zu einer militärischen Auseinandersetzung zwischen Israel und Ägypten kommen würde."

(Ag.)

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