US-Wahlkampf: Showdown um Seele der Republikaner

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USWahlkampf Showdown Seele Republikaner(c) REUTERS (JASON REED)
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Nach seinem Triumph bei der Vorwahl in South Carolina hat sich Newt Gingrich als klare Alternative zu Favorit Mitt Romney etabliert. Wie kein anderer entflammt er als Obama-Kritiker die Parteibasis.

Washington. In Tommy's Country Ham House in Greenville entgingen die Kontrahenten nur haarscharf einer Kollision. Sowohl Mitt Romney als auch Newt Gingrich hatten am Samstagvormittag zur gleichen Zeit einen Wahlkampfauftritt in dem Frühstücksrestaurant im äußersten Westen South Carolinas angesetzt, einer evangelikalen Hochburg im „Bibelgürtel“. Als Gingrich zum vereinbarten Zeitpunkt eintraf, war Romney allerdings schon wieder weg. „Wo ist Mitt?“, höhnte er siegesgewiss. „Hier gibt es wohl keine Muschelsuppe aus Neuengland.“

Der Konfrontation mit seinem schärfsten Verfolger entkommt der deklarierte Favorit, der Kandidat des Partei-Establishments, indes nicht. Nach dem Triumph Gingrichs bei der Vorwahl in South Carolina am Wochenende ist der Showdown zwischen den beiden Konkurrenten im Präsidentschaftswahlkampf der Republikaner nur aufgeschoben. Bereits am Montagabend findet das Duell bei einer neuerlichen TV-Debatte in Tampa in Florida eine Fortsetzung. Vor der nächsten Vorwahl am 31.Jänner in Florida, dem wichtigen „Swing-State“, steht noch eine zweite Debatte auf dem Programm.

Newt Gingrich hat sich als pointierte Alternative zu Mitt Romney, gleichsam als Anti-Romney, herauskristallisiert. In dem langwierigen Nominierungsprozess, der sich über ein ganzes Jahr erstreckt, sucht die republikanische Partei den chancenreichsten Herausforderer Barack Obamas für die Wahl im Herbst – und ihre Seele, ihren ideologischen Kern.

Eine Paarung der Gegensätze

Für die Grand Old Party läuft die Kür ihres Präsidentschaftskandidaten auf die Wahl zwischen zwei Kandidaten hinaus, die konträrer nicht sein könnten: eine Entscheidung zwischen „cool“ oder „hot“, zwischen dem Repräsentanten eines moderaten Country-Club-Republikaners und dem Spiritus Rector einer „amerikanischen Revolution“, zwischen einem pragmatischen Manager und einem ideensprühenden, ideologischen Feuerkopf mit grandioser Geste, einem Patriarchen mit augenscheinlich perfektem Familienleben und einem zweifach geschiedenen Schürzenjäger, in Stil und Habitus seinem Ex-Gegner Bill Clinton nicht unähnlich.

Es ist eine Paarung der Gegensätze, die Mitt Romney (64) so zuspitzte: ein Business-Mann versus einen Karrierepolitiker und Washington-Insider. Der 68-jährige Gingrich gibt dem Duell einen anderen Drall: da der Moderate aus Massachusetts, dort ein Konservativer der Reagan-Schule.

Im Weißen Haus und im Wahlkampfhauptquartier in Chicago verfolgt das Obama-Lager den republikanischen Wahlkampf mit zunehmender Befriedigung und Optimismus. Nicht nur zerfleischen sich die Herausforderer gegenseitig, sie liefern dem Präsidenten auch wertvolle Munition für die Kampagne im Herbst. Gingrich gilt den Obama-Strategen wegen der Fülle an Angriffspunkten als Lieblingsgegner.

Die republikanischen Parteigranden sind indes entsetzt über die neueste Volte in einem Wahlkampf, dem es an Drehungen und Wendungen wahrlich nicht mangelt. Als egozentrischer, ja, egomanischer „Speaker“ hat sich Gingrich im Kongress eine Legion an Feinden in den eigenen Reihen gemacht. Zudem droht Nancy Pelosi, die Führerin der demokratischen Minderheit, mit peinlichen Enthüllungen. Vor 15 Jahren hatte das Parlament Gingrich eine Strafe von 300.000 Dollar wegen ethischer Verstöße aufgebrummt – eine einzigartige Vorgangsweise. Nach der Niederlage bei der Kongresswahl 1998 setzte ihn die eigene Fraktion schließlich ab.

Auf der anderen Seite versteht es Gingrich wie kein anderer Republikaner, die Basis mit seinen Ideen und seiner Rhetorik in Enthusiasmus und in Rage zu versetzen. „Ich will Obama nicht die Nase blutig schlagen. Ich will ihn k.o. schlagen“, brüstet er sich unter dem Gejohle des Publikums – und scheut dabei auch vor rassistischen Untertönen nicht zurück. In sieben dreistündigen TV-Debatten möchte er Obama vorführen. Die konservativen Stammwähler wollen dem Präsidenten ein Wahldebakel zufügen, sie bejubeln die markigen Aussagen des Lautsprechers: „Obama ist ein so schwacher Präsident, dass selbst Jimmy Carter dagegen stark erscheint.“

Sensationelles Comeback

Gingrichs fulminante Auftritte in der Serie an TV-Diskussionen, seine Attacken gegen Romney, seine Schelte gegen die Mainstream-Medien und die Kritik an den Eliten in Washington und New York verhalfen ihm zu einem sensationellen Comeback. Evangelikale, Erzkonservative und Tea-Party-Sympathisanten, die Romney nicht über den Weg trauen, liefen in Scharen in das Gingrich-Camp über.

Der Historiker, der sich gern mit Churchill oder de Gaulle auf eine Stufe stellt, strafte damit alle Lügen, die ihn abgeschrieben hatten. Sein Wahlkampf gleicht einer Achterbahnfahrt. Im Frühsommer galt er als politisch tot: Sein Wahlkampfteam quittierte, nachdem er er mit Ehefrau Callista auf Ägäis-Kreuzfahrt ging, Enthüllungen über eine halbe Million Schulden bei Tiffany's taten ein Übriges. Vor Weihnachten war er wieder obenauf und verkündete: „Ich werde der Präsidentschaftskandidat sein.“ Nach einer Anzeigenkampagne Romneys erlitt er einen Monat später in Iowa ein Fiasko.

South Carolina rühmt sich, seit 1980 jedes Mal den Präsidentschaftskandidaten gekürt zu haben. Für Gingrich spricht der Kampfgeist, für Romney sprechen Geld und Organisation.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.01.2012)

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