"Das Schloss ist im Westen, der Schlüssel in Teheran"

Schloss Westen Schluessel Teheran
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Der iranisch-stämmige Ökonom Mehrdad Emadi glaubt an die Wirksamkeit gezielter Sanktionen.


Die Presse:Die EU hat gegen den Iran ein Ölembargo verhängt: Was bringt das, wenn nicht wichtige asiatische Staaten, die zu Irans Top-Kunden zählen, dabei mitziehen?

Mehrdad Emadi: Das passiert schon: Es gibt erste Anzeichen, dass einige Länder in Asien sich zwar nicht direkt dem Embargo anschließen, aber sukzessive weniger iranisches Öl kaufen werden und ihren Bedarf stärker in anderen Ländern, etwa Saudiarabien, decken. Teheran hat China und Indien deshalb bereits Preisnachlässe angeboten. Der Iran muss das tun, um den Markt nicht zu verlieren. Eine Reduktion der Ölkäufe wirkt aber wegen bestehender Lieferverträge erst mittelfristig, die Kurve wird also eher langsam nach unten gehen. Ich rechne aber für 2012 in Summe mit einer Reduktion von insgesamt 50 Prozent.

Peking wird aber schwerlich mitziehen, seine Priorität ist es, die Ölversorgung zu gewährleisten, um das Wirtschaftswachstum zu sichern.

Deshalb wird China auch sicher weiterhin Öl aus dem Iran beziehen. 2012 wird Chinas Bedarf um 15 Prozent ansteigen. Daneben ist der Iran aber auch ein hoch lukrativer Markt für Peking, vor allem für Güter minderer Qualität, die nicht mehr nach Europa oder in die Türkei exportiert werden können. Vier Fünftel der Güter, die China in den Iran liefert, sind aus den zwei niedrigsten Qualitätsstufen. 60 Prozent des Handels werden übrigens bereits über Bartergeschäfte abgewickelt, das heißt, der Iran liefert Öl, China bezahlt mit Waren.

Weil es dem Iran durch die bestehenden Finanzsanktionen schwer fällt, die Ölverkäufe mit Geld abzuwickeln?

Das gab es zwar schon vorher, aber die Sanktionen haben diese Tendenz verstärkt. Auf jeden Fall geht es für China beim Thema Iran auch um zehntausende Arbeitsplätze.

Wie also können die USA Peking überzeugen, stärker auf andere Lieferanten zu setzen?

Sie picken sich selektiv einige Unternehmen heraus: Vor einigen Tagen haben die USA etwa eine chinesische Ölfirma sanktioniert. Diese hatte zuvor neue Lieferverträge mit dem Iran abgeschlossen, womit Peking wohl auch die amerikanische Entschlossenheit auf die Probe stellen wollte. Die USA werden aber sicher keinen Handelskrieg heraufbeschwören, dazu ist man viel zu stark auf einander angewiesen. Umgekehrt kann die iranische Karte China im Poker mit den USA gute Dienste leisten, man wird diese Karte also nicht leichtfertig aus der Hand geben.

Wie effektiv schätzen Sie die Sanktionen gegen die iranische Zentralbank ein?

Sehr effektiv. Mittelfristig, weil es dadurch schwerer für den Iran wird, sein Öl zu verkaufen. Der stärkere Effekt wird aber kurzfristig durch das Einfrieren der Guthaben im Ausland eintreten, das ist Geld, das als Sicherheit für Handelskredite dient. Man hat dem Iran immer wieder signalisiert, dass es dazu kommen könnte, und Teheran hat - wenn auch langsam - darauf reagiert und 2009/2010 mehr als zehn Milliarden Euro aus Europa abgezogen.
Eine andere wichtige Entwicklung: Das Ölgeschäft ist für den Iran eine bedeutende Dollar-Quelle. Irans Öl-Kunden wollen aber immer öfter nur mehr in weicher Währung zahlen: Indien, das immerhin 2010 Öl für sechs Milliarden Dollar im Iran kaufte, möchte nur mehr in Rupien zahlen. China hat bereits auf Yuan umgestellt und will auch nicht mehr den Weltmarktpreis zahlen sondern einen festgesetzten Fixpreis.

Wie stark spüren denn die Menschen im Iran die Sanktionen?

Der Westen muss hier langfristig denken, wenn er seine Ziele erreichen will. Er müsste den Menschen im Iran klar machen, dass die Sanktionen nicht gegen sie gerichtet sind - und dass der Schlüssel zu ihrer Aufhebung in Teheran liegt: Der Iran muss die Revolutionsgarden aus dem Bankensystem und dem Energiesektor herausnehmen - dann wären Sanktionen gegen diese Bereiche viel schwerer zu argumentieren. Noch einmal: Das Schloss ist im Westen, der Schlüssel in Teheran.

Wie realistisch schätzen Sie Irans Drohung mit einer Sperrung der Straße von Hormuz ein?

Ich nehme nicht an, dass das ein realistisches Szenario ist. Es war ziemlich unüberlegt, was Irans Vizepräsident da gesagt hat. Der Iran würde mit militärischen Mitteln auf wirtschaftliche Sanktionen reagieren, die Eskalation würde damit ganz klar von Teheran ausgehen, es wäre eine Kriegserklärung an Länder wie Saudiarabien, Katar, Kuwait und die Vereinigten Arabischen Emirate. Die Straße von Hormuz gehört nicht dem Iran, sie ist eine kollektive Wasserstraße.

Die 1-Million-Euro-Frage: Wie kann man den Iran am besten von der Atombombe abhalten?

Ich glaube an die Wirksamkeit gezielter Sanktionen. Wenn dem Land binnen Wochen die Hälfte der Hartwährungsreserven abhanden kommt und es immer mehr Öleinnahmen verliert, könnte das ein Umdenken bewirken. Ich denke noch heuer.

Zur Person:

Der iranisch-stämmige Ökonom Mehrdad Emadi lehrte an mehreren Universitäten in Großbritannien und Russland und beriet die EU in Energie- und Wirtschaftsfragen. Er war auf Einladung des Forums "Das iranische Wien" in Wien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24. Januar 2012)

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