Ölembargo soll Iran in die Knie zwingen

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Symbolbild(c) AP (Hasan Jamali)
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Die EU verabschiedete "noch nie da gewesene Sanktionen" gegen den Iran. Im Gegenzug droht das ölreiche Land mit einem sofortigem Lieferstopp. US-Präsident Obama lobt die "Einheit der Weltgemeinschaft".

Wien. Am Dienstag sind die neuen Sanktionen der Europäischen Union gegen den Iran in Kraft getreten. Auch die USA drehten am Montag weiter an der Sanktionsschraube und setzten die iranische Tejarat-Bank auf die schwarze Liste. Das Geldhaus sei einer der "wenigen verbleibenden Zugänge" Teherans zum internationalen Finanzsystem gewesen, erklärte das US-Finanzministerium. US-Präsident Barack Obama betonte: "Diese Sanktionen demonstrieren einmal mehr die Einheit der Weltgemeinschaft, wenn es um die ernsthafte Bedrohung durch das iranische Atomprogramm geht."

Doch die Retourkutsche kam prompt: Kaum hatte die EU ein Ölembargo und Finanzsanktionen gegen den Iran beschlossen, versuchte Teheran, den Spieß umzudrehen: Aus dem Umfeld des religiösen Führers wurde ein sofortiger Stopp der Öllieferungen Richtung EU gefordert. Ein umgehendes Zudrehen des Ölhahns würde den Europäern die Zeit nehmen, auf andere Lieferanten umzusteigen, so das Kalkül Teherans.

Auch wenn der britische Premier David Cameron von „noch nie da gewesenen Sanktionen“ spricht: Ob der Iran nun zu Konzessionen bei seinem Atomprogramm bewegt werden kann, ist ungewiss. Vorerst drohte die Islamische Republik erneut mit einer Sperre der strategisch wichtigen Straße von Hormuz. „Die Presse“ beantwortet die wichtigsten Fragen rund um die neuen Iran-Sanktionen.

1 Welche Sanktionen hat die Europäische Union konkret beschlossen?

Der EU-Rat verhängte ein komplettes Embargo gegen Erdöl und Erdölerzeugnisse aus dem Iran. Kauf, Transport und Versicherungsleistungen sind untersagt. Nur bestehende Verträge können bis Juli 2012 erfüllt werden – wenn der Iran seine Drohung nicht wahr macht und den Ölhahn sofort zudreht. Ebenfalls verboten ist es EU-Staaten, Ausrüstung für Irans Ölindustrie zu liefern oder in Ölfirmen zu investieren.

Erstmals gibt es auch Sanktionen gegen Irans Zentralbank: Ihre Guthaben in der EU werden eingefroren. Eine Freigabe von Geldern für Bereiche, die nicht sanktioniert sind, ist aber möglich. „Diese Maßnahme kann sehr effektiv sein“, meint der iranisch-stämmige Ökonom Mehrdad Emadi zur „Presse“: Der Iran habe zwar 2009/2010 mehr als zehn Milliarden Euro aus der EU abgezogen. Dort sowie in der Schweiz lägen aber noch immer bedeutende Beträge.

--> Alle Sanktionen auf einen Blick

2 Wie wichtig ist der Iran als Exporteur von Öl für die EU und die Weltwirtschaft?

Das Land verfügt nach Saudiarabien, Venezuela und Kanada über die vierthöchsten Ölreserven der Welt. Allerdings fördern die USA und Russland mehr Öl als der Iran, was vor allem auf besseres Know-how zurückzuführen ist. Mit einer Produktion von gut vier Mio. Barrel pro Tag (2,1 Mio. Barrel davon werden exportiert, siehe Grafik) ist der Iran für fünf Prozent der weltweiten Ölproduktion verantwortlich. Zum Vergleich: Saudiarabien, USA und Russland fördern jeweils mehr als zehn Prozent. Fällt der Iran als Öllieferant aus, wäre das also verkraftbar. Einzelne Länder hängen aber sehr wohl am Öltropf des Iran – vor allem Griechenland, das ein Viertel seines Öls aus dem Iran importiert – auf Pump. Die Frist für das Embargo wurde den insolventen Griechen zuliebe bis 1.Juli verlängert.

3 Welche Wirtschaftsbeziehungen pflegt Österreich mit dem Iran?

„Allgemein verfügen der Iran und Österreich über sehr gute Wirtschaftsbeziehungen“, betont die Wirtschaftskammer in ihrem aktuellen Report zum Iran. Im Gegensatz zu den USA oder Großbritannien publiziert die WKÖ auch einen „Leitfaden für Lieferungen in den Iran“. In den ersten acht Monaten des Vorjahres exportierte Österreich Waren im Wert von 233 Mio. Euro in den Iran – gleich viel wie beispielsweise nach Israel und mehr als nach Thailand.

Von Irans Öl ist Österreich nicht abhängig. Die OMV hat den Handel mit dem Land im Vorjahr eingestellt. 2010 waren noch acht Prozent des gesamten Öls der Raffinerie Schwechat aus dem Iran gekommen. Das Ende der Ölimporte erklärt auch den Rückgang bei den gesamten Einfuhren um mehr als 90 Prozent auf 24 Mio. Euro.

4 Welche Konsequenzen könnte das EU-Embargo im schlimmsten Fall haben?

Der Worst Case wäre eine Sperre der Meerenge von Hormuz durch den Iran. Diesen Seeweg passiert etwa ein Fünftel des weltweit gehandelten Öls. Teheran hat eine militärisch leicht zu bewerkstelligende Sperre zwar mehrfach angedroht. Dies würde allerdings für den Iran eine Art ökonomischen Selbstmord darstellen. Und die USA würden es als Kriegsgrund sehen.

5 Warum reagiert der Ölpreis kaum auf die nun beschlossenen EU-Sanktionen?

Der Preis für ein Fass der Sorte Brent stieg am Montag um weniger als ein Prozent auf 110,60 Dollar. Die Märkte reagierten aus mehreren Gründen unbeeindruckt: So rechneten die Investoren bereits seit Längerem mit einem EU-Ölembargo gegen den Iran. Außerdem sind die meisten Länder nur bedingt von iranischem Öl abhängig (siehe Frage 3). Einzig wenn der Iran tatsächlich die Straße von Hormuz sperrt, dürfte das zu einem starken Anstieg des Ölpreises führen.

6 Welchen Sinn kann das Embargo ohne Beteiligung asiatischer Länder haben?

Für die volle Wirksamkeit des Ölembargos wäre es wichtig, dass sich auch Irans Großkunden (siehe Grafik) beteiligten. Offiziell ist dies nicht zu erwarten. Einige Staaten dürften aber ihre Abhängigkeit von iranischem Öl reduzieren: Japan hat den USA derartige Schritte versprochen, Südkorea wird sich solchen US-Wünschen ebenfalls nicht verschließen können. Indien wiederum will nicht mehr „harte Währungen“ an Teheran überweisen, sondern heimische Rupien. Der Iran fordert als Kompromiss japanische Yen.

7 Worin liegt das besondere Interesse Chinas am iranischen Öl?

China kauft mit 22 Prozent der Gesamtexporte nicht nur das meiste Öl aus dem Iran. Auch der Bedarf steigt stark, laut dem Experten Emadi 2012 um etwa 15 Prozent. Mehr als die Hälfte des iranischen Öls bezahlt China übrigens mit Waren: „Es geht hier auch um zehntausende Arbeitsplätze.“ Dennoch versucht Peking, stärker auf arabisches Öl zu setzen, eine Reise von Premier Wen Jiabao nach Saudiarabien und in die Vereinigten Arabischen Emirate machte dies kürzlich deutlich. China macht dies freilich aus Eigeninteresse, nicht für die USA.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.01.2012)

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