Romney schlägt zurück: Verbissenes Duell der Republikaner in Florida

(c) REUTERS (SCOTT AUDETTE)
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Schlacht ums Weiße Haus: Mitt Romney und Newt Gingrich kämpfen mit Untergriffen, einer Flut von Negativanzeigen und Spanischbrocken um den Sieg bei der wichtigen Vorwahl im US-Süden.

Washington. Der Punch erwischte Newt Gingrich auf dem falschen Fuß. „Wenn ein Geschäftspartner zu mir käme und vorschlüge, ein paar hundert Milliarden Dollar für eine Kolonie auf dem Mond zu investieren, dem würde ich sagen: ,Du bist gefeuert.‘“ Aufmunitioniert von einem neuen Debattencoach und losgelöst vom Korsett einer übervorsichtigen Taktik landete Mitt Romney bei einer TV-Diskussion in der Nacht zum Freitag eine Serie an Treffern gegen seinen schärfsten Rivalen.

Gingrich hatte an der Space Coast in Florida von einer Mondstation und einer Marsmission fabuliert. Nach dem Ende des Space-Shuttle-Programms im Sommer flößte er mit seiner Vision zehntausenden Mitarbeitern der US-Raumfahrtindustrie rund um Cape Canaveral, die um ihre Zukunft bangen, Hoffnung ein. Dass die Nation angesichts eines Rekordschuldenstands von 15,2 Billionen Dollar drängendere Probleme plagen als das Prestigeduell gegen die Chinesen im All, ficht einen selbst ernannten Großdenker wie Gingrich nicht an.

Kräfteraubende Kampagne

In einem kräfteraubenden Wahlkampf, der allmählich seinen Tribut fordert, hat sich das Blatt wenige Tage vor der wichtigen Vorwahl in Florida am Dienstag wieder gewendet. Mit einem Mal hat Mitt Romney, der ungeliebte Favorit, angeschlagen vom Wahldebakel vor einer Woche in South Carolina, wieder Auftrieb bekommen – auch, weil er sich aggressiv gegen die Attacken Gingrichs zur Wehr setzte. Der brillante Debattierer Gingrich dagegen wirkte reaktionsschwach, ausgelaugt, zermürbt von den Salven der Kritik und der Vorwürfe, die von allen Seiten auf ihn einprasselten.

Kein Coach wollte in der 19.Runde des TV-Debatten-Marathons indes das Handtuch für seinen Kandidaten werfen. Bis zum Ende des Zyklus in Utah in fünf Monaten listet der Wahlkampfkalender noch 46 Stationen auf. Da gilt es, die Kräfte und die finanziellen Ressourcen gut einzuteilen. Vor den Augen seiner 93-jährigen Mutter, die als Rentnerin nach Florida gezogen war und bei der Präsentation Applaus geerntet hatte, lieferte Rick Santorum eine energiegeladene Vorstellung ab. Am Wochenende legte er freilich eine Wahlkampfpause ein, um in seiner Heimat Pennsylvania die Steuererklärung fertigzustellen und sich auf die Vorwahlen in Nevada im Februar vorzubereiten.

Warten auf Implosion des Favoriten

Ron Paul unterhielt das Publikum mit seinem kauzigen Humor. Er sei so fit, antwortete der 76-jährige Arzt auf die Frage nach seinem Gesundheitszustand, dass er es jederzeit mit seinen Konkurrenten aufnehmen könne. Zu jeder Tageszeit sei er bereit für ein 25-Meilen-Radrennen in der Hitze seiner texanischen Heimat. Auch er konzentriert sich längst auf die Vorwahlen in Staaten wie Nevada oder Arizona. Wie Santorum hat er den Kampf um Florida mehr oder weniger aufgegeben, wie Santorum wartet er auf seinen Moment, auf die Gunst der Stunde, auf die Implosion eines Favoriten.

Der Staat der Orangenhaine vergibt den ersten Hauptpreis im Vorwahlkampf mit 50 Delegiertenstimmen, nicht einmal einem Zwanzigstel der Gesamtdelegierten. Ende August küren sie bei Treibhaustemperaturen in Tampa, der pulsierenden Hafenstadt im Zentrum Floridas, den Obama-Gegner, den republikanischen Präsidentschaftskandidaten. Nicht umsonst gilt Florida als „Battleground-State“, als politisches Schlachtfeld zwischen Demokraten und Republikanern, wo 2008 Obama obsiegt hat.

Währenddessen geben Paul und Santorum die Statisten in dem erbitterten Duell zwischen Mitt Romney und Newt Gingrich ab. Flankiert von den beiden Außenseitern verbissen und verharkten sich der Frontrunner und sein Herausforderer wie Boxer in einem Infight. Gingrich hielt Romney sein Vermögen und seine Abgehobenheit vor. „Man muss schon in einer Welt von Konten in der Schweiz und den Cayman Islands leben, wo man 20 Millionen Dollar verdient, ohne einen Finger zu rühren, um auf die Idee einer „Selbstdeportation“ von Immigranten zu kommen.“ Den Untergriff, verbunden mit dem Vorwurf, eine Anti-Immigrationspolitik zu forcieren, ließ Romney nicht auf sich sitzen: „Mein Vater ist in Mexiko geboren, mein Schwiegervater in Wales.“ „Ungeheuerlich“, schnaubte Romney. Gingrich müsse sich entschuldigen.

Im „Sunshine State“ Florida, dem Paradies der „Snowbirds“ – der Zuzügler aus den US-Nordstaaten –, hat die Frage der Immigration besonderes Gewicht. Hier leben eineinhalb Millionen Wähler mit hispanischen Wurzeln, insbesondere die Exilkubaner tendieren stark zu den Republikanern. Um die Latinos buhlen Romney und Gingrich daher mit allen Mitteln – in Interviews mit dem spanischsprachigen Sender Univison, in TV-Spots und mit spanischen Sprachbrocken bei Kundgebungen.

Während Romney sich als vehementer Gegner der illegalen Immigranten positioniert hat, lockt Gingrich mit einer teilweisen Einlösung des „Dream Acts“. Das von den Republikanern blockierte Gesetzesvorhabens Barack Obamas sieht eine schrittweise Einbürgerung von Kindern illegaler Immigranten vor, vor allem jener, die es zum Militär zieht oder ans College. Gingrich hausiert mit der Spukvorstellung, wonach Romney Großmütter deportieren lassen wolle.

Frontalattacke des Establishments

Beide überfluten Florida mit Negativanzeigen. Romney behauptet in Radiospots, dass Gingrich Spanisch als „Sprache des Ghettos“ bezeichnet habe. Gingrich wiederum greift Romney als unsicheren Kantonisten an – als einen, der sich während der 1980er-Jahre von Ronald Reagan distanziert habe, indem er sich als Unabhängiger habe eintragen lassen und bei demokratischen Vorwahlen sein Votum abgegeben habe.

In Washington braut sich derweil eine Anti-Gingrich-Stimmung zusammen. Das Establishment versucht, den Vormarsch des „Ex-“Speakers zu stoppen, der sich viele Feinde gemacht hat. „Eine Stimme für Gingrich ist eine Stimme für Obama“, warnt die Publizistin Ann Coulter. Ein unabhängiger Stratege unkt: „Bei einem Gingrich-Sieg würde hier die Hölle losbrechen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.01.2012)

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