Zarganar: "Auch Gefängnisse haben Türen"

(c) EPA (NARONG SANGNAK)
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Mehrmals hat die burmesische Junta den Komiker Zarganar verhaften und ihn im Gefängnis foltern lassen. Das Lachen ist ihm, wie er sagt, mittlerweile zwar vergangenen, er sieht sein Land aber auf dem richtigen Weg.

Sie wurden 2008 zu 59Jahren Haft verurteilt, weil Sie die Junta kritisiert hatten. Vor etwa fünf Wochen sind Sie bei einer Massenamnestie freigekommen und jetzt erstmals in Ihrem Leben ins Ausland gereist, nach Thailand und Kambodscha. Wie sind die Unterschiede zu Myanmar?

Zarganar: Als ich in Bangkok ankam, war ich einfach nur geschockt. Die vielen Flugzeuge und der Flughafen, die großen Brücken, die guten Straßen und Gebäude, das alles war ein Schock für mich. Aber der Unterschied ist nicht nur, wie modern alles ist, es liegt auch an den Leuten. Ich versuche das immer zu vergleichen: Die jungen Thailänder sind selbstbewusst und fühlen sich sicher, man kann in ihren Gesichtern sehen, dass sie frei sind. In Burma ist das ganz anders, da sieht man das alles nicht, obwohl wir Nachbarländer sind. Und das ist schon sehr enttäuschend. Allerdings gibt mir diese Auslandsreise die Chance, zu lernen und Ideen zu sammeln, wo sich Myanmar jetzt hinbewegen könnte.

Sie haben schon oft einen Reisepass beantragt, auch vor Ihrer letzten Verhaftung 2008, aber nie einen bekommen. Traut Ihnen die Regierung nun?

Ich denke ja. Als ich diesen Oktober freigekommen bin, habe ich sofort einen Pass beantragt, und die Regierung hat geantwortet: Wir stellen dir einen Reisepass aus, und du kannst ins Ausland, aber du musst uns versprechen, dass du wieder zurückkommst. Ich habe ihnen erklärt, dass ich sowieso zurück will, um meine Erfahrungen und Eindrücke mit meinen Mitbürgern zu teilen. Ich liebe mein Myanmar, und ich hab der Regierung versprochen, dass ich mit Sicherheit zurückkommen werde.

Erst wurden Sie also weggesperrt, um die Regierung nicht mehr kritisieren zu können, und jetzt hat man Angst, dass Sie nicht mehr zurückkommen?

(Lacht.) Ja, genau. Das zeigt auch die Veränderung. Früher haben sie mir gar nicht getraut, und jetzt sitze ich in diesem schönen Hotel in Phnom Penh und rede mit einer ausländischen Journalistin. Das würd ich eine ziemliche Verbesserung nennen.

Auch Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi steht nicht mehr unter Hausarrest, etwa 6000 politische Gefangene wurden freigelassen, die Zensur ist wesentlich lockerer – das sind einige Zeichen für die Veränderungen in Ihrem Land. Glauben Sie denn, dass sich Myanmar jetzt auf dem richtigen Weg befindet und es mehr Verbesserungen geben wird?

Ja, aber wir befinden uns gerade erst am Anfang. Wir sind definitiv auf dem richtigen Weg zur Demokratie. Ein weiterer wichtiger Schritt wäre eine offizielle Erklärung unseres Präsidenten, dass alle Exilburmesen zurückkehren können und ihre Sicherheit garantiert wird. In Bangkok habe ich alte Freunde getroffen, die seit mehr als 20Jahren im Exil leben. Sie würden gerne zurück, aber derzeit haben sie noch Angst, dass sie nach Ihrer Rückkehr verhaftet werden. Ich werde Thein Sein einen Brief schreiben und ihn darauf hinweisen. Wir müssen uns noch mehr bemühen, nicht nur die Regierung, sondern alle Burmesen zusammen. Die Veränderungen müssen Schritt für Schritt passieren.

Viele Politiker drücken sich derzeit sehr vorsichtig aus, wenn sie über Burma reden. Barack Obama hat gesagt, dass er „kleine Zeichen des Fortschritts“ sehen würde. Sie sind einer der berühmtesten Regierungskritiker, scheinen aber der neuen Regierung mit keinerlei Skepsis gegenüber zu stehen.

Viele westliche Politiker glauben tatsächlich nicht an die Veränderungen in meinem Land, und sogar viele Burmesen glauben, dass die Regierung einfach nur die Kleider gewechselt hat. Immerhin sind unsere Politiker noch immer Exgeneräle der Junta. Aber wenn ich mich mit unseren Politikern und Ministern unterhalte, dann höre ich, dass sie Myanmar wirklich verändern wollen. Wir haben die gleiche Einstellung und Ansichten, und wir sollten alle gemeinsam nach vorn blicken. Den neuen Politikern kann ich endlich die Hand schütteln.


Um so weit zu kommen, mussten Sie acht Jahre im Gefängnis verbringen. 1988 das erste Mal, da wurden Sie im berüchtigten Insein Prison sogar gefoltert. 2008 haben Sie gegenüber westlichen Medien den Umgang der Regierung mit den Folgen des Zyklon Nargis, der das halbe Land verwüstet hat, kritisiert. Sie wurden zu 59Jahren verurteilt. Haben Sie je daran geglaubt, wieder freizukommen?

Ja, das Gefängnis bin ich ja mittlerweile gewohnt. Viermal wurde ich eingesperrt, viermal bin ich auch wieder freigekommen. Ich sehe das so: Auch Gefängnisse haben Türen, und die sind zum Rein- und Rausgehen. Außerdem hat man mich ja nicht direkt für Regierungskritik verurteilt. Die Anschuldigungen waren absoluter Blödsinn. Eine Anklage betraf zum Beispiel ein E-Mail, das ich von einem Freund aus Amerika bekommen habe. Er arbeitet für die United States Campaign for Burma, und mir wurde vorgeworfen, dass ich dieses E-Mail geöffnet habe. 15Jahre habe ich für das Öffnen dieses E-Mail bekommen. Unglaublich, oder? Aber mir war das gleichgültig, diese vier Verurteilungen und die 59Jahre Haft – das war ja ein Witz! Mir war klar, dass sie mich in ein paar Jahren freilassen würden.

Sie haben die vergangenen drei Jahre in einem Provinzgefängnis im Norden des Landes verbracht. Wie waren die Bedingungen?

Meine letzten drei Haftstrafen waren schrecklich. Ich wurde schlecht behandelt, in Einzelhaft gehalten, ohne ein Fenster oder jemanden, mit dem ich mich unterhalten hätte können. Ich durfte nicht einmal Klopapier verwenden. Aber dieses Mal war das ganz anders, weil ich in so einem kleinen Gefängnis war. Ich durfte Zeitungen lesen, mich zwölf Stunden täglich frei auf dem Gelände bewegen, sogar politische Bücher gab es, und ich habe „On China“ von Henry Kissinger gelesen. Fernsehen konnte ich auch, sogar die Nachrichten und CNN. Aber das war nur, weil ich in so einem kleinen Provinzgefängnis war. In den großen Gefängnissen, besonders in Rangun und Mandalay, dort sind die Verhältnisse noch immer sehr, sehr schlimm.

Das heißt, Sie wussten von den Wahlergebnissen im November 2010. Ihnen müssen die Veränderungen schon im Gefängnis aufgefallen sein?

Ja, ja! Und ich hatte auch schon alles geplant, was ich nach meiner Freilassung umsetzen wollte. Eine Liste habe ich gemacht und immer wieder darüber nachgedacht, wie ich meinem Land helfen kann.


Sie gelten als Myanmars berühmtester Comedian. Versuchen Sie, in dieser Rolle auch einen Beitrag zu leisten?

Derzeit eigentlich nicht. Ich habe meinen Humor verloren. Ich fühle mich verwirrt und kann nicht so klar denken, weil gerade einfach so viel in meinem Land passiert. Nach dem Aufwachen schwirren mir schon so viele Gedanken im Kopf herum, was ich alles tagsüber zu erledigen habe, dass ich mir gar keine Witze überlegen kann. Jetzt muss ich erst einmal zurück nach Hause, und dann möchte ich nach Singapur und Hongkong reisen.


Der deutsche Komödiant Michael Mittermeier hat die Doku „The Prison Where I Live“ über Sie gedreht. Hatten Sie schon Gelegenheit, den Film anzusehen?

Schon im Gefängnis. Meine Schwägerin hat mir die DVD heimlich geschickt, und Fernseher und DVD-Player hatte ich ja schon. Ein sehr guter Film. Obwohl, ein bisschen langatmig war er schon. Aber das ist nicht Herrn Mittermeiers Schuld. Ich würde den Film gerne ändern, dem Regisseur hab ich schon mein Skript geschickt.

Ein Skript für eine Dokumentation? Was würden Sie denn gerne ändern?

Das Ende gefällt mir nicht, ich hätte gern ein Happy End. Im Skript hab ich das so geschrieben: Ich komme aus dem Gefängnis frei und suche nach Michael Mittermeier, dann fliege ich nach Deutschland, um ihn dort zu suchen. Und mir wird gesagt, dass er gerade in einem Theater auftritt. Also gehe ich dort hin und sehe ihn auf der Bühne. Er entdeckt mich dann auch und schreit „Zarganar!“, und ich rufe „Hallo, Michael Mittermeier!“, und dann springt er von der Bühne, und wir umarmen uns. Ich denke, ein Happy End würde die Dokumentation viel besser machen. Ich mag Happy Ends.


Auch für ehemalige Militärdiktaturen?

Ja, auch für ehemalige Militärdiktaturen. Ein Happy End für Myanmar will ich sicher noch erleben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.01.2012)

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