"Wir sind angewidert": Reaktionen auf Syrien-Resolution

MIDEAST SYRIA PROTEST
MIDEAST SYRIA PROTEST(c) EPA (Youssef Badawi)
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Das Veto von Russland und China wird von den anderen Sicherheitsratsmitgliedern scharf kritisiert. Frankreichs Präsident Sarkozy erwägt eine europäisch-arabische Kontaktgruppe.

Russland und China haben trotz des zunehmenden internationalen Drucks und neuer Berichte über zahlreiche Tote eine Syrien-Resolution im UNO-Sicherheitsrat blockiert. Damit scheiterte die von der Arabischen Liga vorgelegte Erklärung, mit der der syrische Präsident Bashar al-Assad zum Rücktritt gezwungen werden sollte. Die anderen 13 Ratsmitglieder stimmten am Samstag geschlossen für die Resolution, die das Ziel hat, die seit Monaten anhaltende Gewalt in Syrien zu stoppen.

Seit Beginn der Proteste gegen Assad kamen nach UNO-Angaben mehr als 5000 Menschen ums Leben. Marokkos UNO-Botschafter, Mohammed Loulichki, der den Entwurf in den Sicherheitsrat eingebracht hatte, erklärte, er sei zutiefst enttäuscht und bedauere das Votum. Auch UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon kommentierte das Scheitern der Resolution ungewohnt kritisch: "Das ist eine große Enttäuschung für die Menschen in Syrien und dem ganzen Nahen Osten, für alle Unterstützer von Demokratie und Menschenrechten."

"Was müssen wir wissen, um zu handeln?"

Die deutlichsten Worte kamen von US-Botschafterin Susan Rice: "Wir sind angewidert, dass einige Mitglieder uns davon abhalten, unsere Pflicht zu tun." Der Rat werde seit Monaten "in Geiselhaft gehalten von zwei Ländern, die nur an ihre eigenen Interessen denken". Im Text seien Sanktionen nicht einmal erwähnt worden. "Und besonders schändlich ist es, dann auch noch Waffen zu liefern."

Die EU-Außenbeauftragte Cathrine Ashton bedauerte die Entscheidung ebenfalls und forderte alle Mitgliedsländer auf, Verantwortung zu übernehmen. "Die Zeit ist gekommen, mit einer Stimme zu sprechen, ein Ende des Blutvergießens zu fordern und sich für eine demokratische Zukunft Syriens auszusprechen", erklärte sie. Deutschlands Außenminister Guido Westerwelle hofft auf einen neuen Anlauf im Rat. Die Bemühungen um eine Verurteilung der Gewalt müssten gemeinsam mit den Partnern im höchsten UNO-Gremium und der Arabischen Liga fortgesetzt werden. "Es ist ganz entscheidend, dass die internationale Gemeinschaft jetzt nicht aufgibt."

US-Außenministerin Hillary Clinton betonte: "Es ist Zeit, dass wir uns erklären: Sind wir für Frieden und Sicherheit oder werden wir Komplizen bei fortgesetzter Gewalt und Blutvergießen sein?" Sie sei enttäuscht über das Doppel-Veto: "Ich möchte Sie fragen: Was müssen wir denn noch wissen, um im UNO-Sicherheitsrat entschlossen zu handeln?" Die syrische Opposition nannte die Haltung Russlands und Chinas enttäuschend. "Dieses Veto geht auf Kosten des syrischen Volkes und seines Blutes", sagte Naji Taiyara vom Syrischen Nationalrat.

"Frankreich gibt nicht auf"

Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy kritisierte das Veto Russlands und Chinas scharf. "Die syrische Tragödie muss aufhören", sagte Sarkozy am Samstag. "Frankreich gibt nicht auf", sagte Sarkozy. Der französische Außenminister Alain Juppé erklärte am Abend, China und Russland trügen eine "schreckliche Verantwortung". Daher werde sich Frankreich weiterhin gemeinsam mit den europäischen und arabischen Partnern "die Bemühungen verdoppeln und neue Initiativen ergreifen, um die Syrer in ihrem gerechten Kampf für Freiheit und Demokratie zu unterstützen", sagte Juppé.

Der deutsche Außenminister Guido Westerwelle sagte der Zeitung "Bild am Sonntag", das Veto sei ein "großer Fehler" gewesen. Trotz des Vetos halte er die Zeit der Regierung von Assad für abgelaufen. "Eins ist klar: Das Assad-Regime hat keine Zukunft mehr", sagte Westerwelle dem Blatt. Auch Westerwelle sagte, jetzt gelte es, sich mit den Partnern abzusprechen und sich weiter mit allem Nachdruck für die syrische Bevölkerung einzusetzen.

"Assad hat kein Recht, Syrien zu führen"

Schon vor der Abstimmung in New York hatte US-Präsident Barack Obama den sofortigen Rücktritt des syrischen Präsidenten gefordert. "Assad hat kein Recht, Syrien zu führen", erklärte Obama in einer schriftlichen Stellungnahme. "Er hat jede Legitimität in seinem Volk und in der internationalen Gemeinschaft verloren."

"Wir haben die Menschen in Syrien schon wieder im Stich gelassen", konstatierte der deutsche UNO-Botschafter Peter Wittig. "Das ist eine schreiende Schande." Sein französischer Amtskollege Gerard Araud sagte: "Das ist ein trauriger Tag für diesen Rat. Das ist ein trauriger Tag für Syrien, und es ist ein trauriger Tag für die Anhänger der Demokratie." Londons Botschafter Mark Lyall Grant warf Russland und China ein falsches Spiel vor: "Sie sagen, Sie wollten ein militärisches Eingreifen verhindern. Das hat aber nie jemand gefordert und stand auch nie in irgendeinem Entwurf."

Russland und China unnachgiebig

"Wir bedauern diesen Ausgang", sagte Russlands Botschafter Witali Tschurkin. "Aber dieser Entwurf war unausgewogen." Russland habe einen Kompromiss finden wollen. "Aber diese Versuche wurden von Ländern unterlaufen, die zu viel wollten, sogar einen Regimewechsel." Chinas Botschafter Li Baodong forderte ein Ende der Gewalt, sagte aber auch: "Die Ordnung in Syrien muss so schnell wie möglich wieder hergestellt werden." Syriens Souveränität müsse unangetastet bleiben.

(Ag./Red.)

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