Cyber-Waffen: Die neue Bedrohung für die Welt

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Die am Sonntag zu Ende gegangene Münchner Sicherheitskonferenz zeigte, wie sehr sich der Sicherheitsbegriff in den vergangenen 50 Jahren erweitert hat.

Der beunruhigendste Satz kam ganz am Schluss: Nach zwei Tagen intensiver Diskussionen über die Lage in Syrien, das Diätprogramm der USA für ihre Militärpräsenz in Europa, oder den Nato-Raketenschutzschirm, ging es im allerletzten Panel der heurigen Münchner Sicherheitskonferenz am Sonntag um „Cyber Security". Und da stellte Schwedens Außenminister Carl Bildt jenen Gedanken in den Raum, der wohl bei vielen großes Unbehagen ausgelöst hat: „Könnte es sein, dass der Diebstahl von Stuxnet so gefährlich oder noch gefährlicher ist, als der Diebstahl von Atomwaffen?" Stuxnet, das ist jener vermutlich von westlichen Geheimdiensten entworfene Computervirus, mit dem vergangenes Jahr ein Teil des iranischen Atomprogramms lahmgelegt wurde.

Eine neue Klasse von Waffe

Terroristen haben in der Regel nicht die Mittel, derartige Cyber-Waffen zu entwickeln. Aber sie könnten sich in ihren Besitz bringen. Und damit vitale Infrastruktur angreifen. Das Albtraumszenario: Ein Atomkraftwerk wird durch einen solchen Virus außer Kontrolle gebracht. Mit Stuxnet ist jedenfalls der digitale Erstschlag, wie es Frank Rieger vom Chaos Computer Club damals nannte, erfolgt. Ex-CIA-Chef Michael Hayden sprach in München von einem „Überschreiten des Rubikon": Eine neue Klasse von Waffen sei damit in der Welt. Und von jeder eingesetzten Waffe kann der Gegner lernen. Eindringlich appellierte daher Computer-Sicherheits-Großmeister Ewgenij Kasperski: „Wenn man Cyberwaffen verwendet, bildet man dadurch auch seinen Gegner aus. Daher: Setzt diese Waffen bitte nicht ein."

„It's banks, not tanks"

Dieses letzte Panel war nur der augenfälligste Hinweis darauf, wie sehr sich der Begriff „Sicherheit" seit der ersten „Wehrkundetagung" (wie die Sicherheitskonferenz einst hieß) vor 50 Jahren gewandelt hat. „It's banks, not tanks", es sind Banken, nicht Panzer, wegen denen man sich heute die größte Sorgen mache, hatte Wolfgang Ischinger, Ex-Staatssekretär im auswärtigen Amt in Berlin und Leiter der Konferenz, in seinem Eingangs-Statement gesagt. Folgerichtig befasste sich denn auch eine mit Italiens Premier Mario Monti, Weltbank-Chef Robert Zoellick und Alt-Investor George Soros hochkarätig besetzte Gesprächsrunde damit, wie die Finanzkrise die internationale Stabilität gefährdet. Deutschlands ehemaliger Finanzminister Peer Steinbrück sah eine große Gefährdung, allerdings weniger in der spontanen Entladung sozialer Proteste, als in einem schleichenden Verlust von Vertrauen in das politisch-wirtschaftliche System: „Wenn wir nicht aufpassen, geraten wir in eine legitimatorische Krise." Eine ebenso große Gefahr sieht Steinbrück in Versuchen, das Rad der europäischen Integration zurückzudrehen: „Wenn die EU die Antwort auf 1945 ist, dann werden wir um einen hohen Preis diese Renationalisierung verhindern müssen. Und das wird Deutschland Geld kosten."

Die Nato ist fest entschlossen

Freilich wurden auch die klassischen Sicherheitsthemen in München gebührend beackert. Neben dem russisch-amerikanischen Syrien-Showdown sind die beiden Großmächte auch beim Thema Raketenabwehr aneinander geraten: Die Nato ist fest entschlossen, ihre diesbezüglichen Pläne (mit einem Radarsystem in der Türkei, Raketenbatterien in Rumänien und Polen sowie seegestützen Komponenten) schrittweise umzusetzen. Daran ließ Verteidigungsminister Leon Panetta keinen Zweifel: „Wir müssen in der Lage sein, jene Systeme in Stellung bringen, von denen wir überzeugt sind, dass wir sie brauchen." Ob es Russland passt oder nicht. Und es passt Russland ganz offenkundig nach wie vor nicht, obwohl Washington immer wieder klargemacht habe, dass das System nicht gegen den alten Rivalen gerichtet sei, wie Panetta betonte. Bis zum nächsten Nato-Gipfel im Mai will man Moskau doch noch ins Boot holen. Russlands Außenminister sagte in München jedenfalls, bei ihm ließen die Nato-Pläne „die Alarmglocken läuten". Eine russische Beteiligung an den Plänen in ihrer jetzigen Form schloss er aus.

Panetta musste wohl oder übel auch auf einen anderen wunden Punkt zu sprechen kommen: die verbale und faktische Abkehr der USA von Europa. Verbal, weil Präsident Barack Obama kürzlich erst eine „pazifische Ära" eingeläutet hat, faktisch, weil die USA im Zuge eines drastischen Sparpakets im US-Verteidigungsbudget (binnen zehn Jahren sollen fast 500 Milliarden Dollar gestrichen werden) zwei ganze Kampfbrigaden aus Europa abziehen.

Militärisch Selbstverantwortung

Unterstellt man, dass das Gegenteil stimmt, wenn Politiker etwas besonders betonen, dann steht es schlecht um das transatlantische Verhältnis: Weder Panetta und Hillary Clinton, noch ihre deutschen Counterparts Thomas de Maizière und Guido Westerwelle vergaßen zu erwähnen, wie gut dieses Verhältnis weiter sei. Das deutsche Duo hat dann allerdings schon fast flehentlich die US-Partner daran erinnert, man möge sich doch bitte des Wertes der alten Partnerschaften bewusst sein (Westerwelle). De Maizière versuchte immerhin, aus dem Teilabzug der Amerikaner von der Alten Welt einen Auftrag abzuleiten, nämlich eine europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik auf die Beine zu stellen, die diesen Namen auch verdient: „Europa muss in der Lage sein, auch militärisch Verantwortung für sich selbst und seine unmittelbare Nachbarschaft zu übernehmen", meinte de Maizière.

Dies müsse allerdings innerhalb der Nato geschehen, nicht in Doppelung dazu: „Unsere Streitkräfte müssen durchhaltefähiger und leistungsfähiger werden. Wir müssen mehr können, und wir müssen mehr gemeinsam können." Wie das beim auf absehbare Zeit vorherrschenden Diktat der leeren Kassen gehen soll, sagte der Minister nicht. „Smart defence" ist ein Schlagwort, das in München in diesem Zusammenhang dann oft gebraucht wurde. Noch ist es allerdings nicht viel mehr als ein Schlagwort.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.02.2012)

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