Wortgirlanden: Präsidententreffen in Helsinki

Finnland. Die "Arraiolos-Gruppe" - Staatsoberhäupter der EU ohne Exekutivbefugnis - berieten über die europäische Schuldenmisere.

Helsinki. Es ist ein Gremium, dessen Existenz wohl nur wenigen Beobachtern des europäischen Geschehens bekannt sein dürfte. Unter dem etwas sperrigen Namen „Arraiolos-Gruppe“ (nach der gleichnamigen Ortschaft in Portugal benannt) verbirgt sich seit 2003 eine bunt zusammengewürfelte Gruppe von Staatsoberhäuptern der Europäischen Union ohne Exekutivbefugnis – derzeit gehören Finnland, Deutschland, Ungarn, Italien, Polen, Portugal, Lettland, Slowenien sowie Österreich dazu. Zweck des Unterfangens ist informeller multilateraler Gedankenaustausch (Journalisten sind als Zuhörer im Plenum unerwünscht) samt Gelegenheit zu bilateralen Treffen.

Dass das diesjährige Treffen ausgerechnet in der finnischen Hauptstadt Helsinki, also gefährlich nahe dem europäischen Kältepol stattfindet, ist wohl keine Absicht, sondern eher den protokollarischen Usancen geschuldet. Und im Endeffekt nicht ungünstig: Wenn die Quecksilbersäule minus 15 Grad anzeigt, ist die Versuchung gering, das Kongressgelände am Ufer des Finnischen Meerbusens zu verlassen.

Keine aktive Rolle im Tagesgeschehen

Dass bei Treffen der Arraiolos-Gruppe für gewöhnlich viele Wortgirlanden zum Einsatz kommen und wenig Konkretes besprochen wird, liegt in der Natur der Sache: Die Mitglieder dieses Klubs sind von Amts wegen dazu verdammt, die Funktion der repräsentativen lahmen Ente zu erfüllen und spielen folglich nur selten eine aktive Rolle im politischen Tagesgeschehen.

Dass das freitägliche Treffen in Helsinki in dieser Hinsicht unter einem besonders schlechten Stern stand, hatte drei zusätzliche Gründe: Christian Wulff, Pál Schmitt und Tarja Halonen. Die Präsidenten von Deutschland und Ungarn sind in ihren Heimatländern in Bedrängnis und folglich noch passiv-defensiver als sonst – Wulff wegen seiner geschäftlich-privaten Verstrickungen während seiner Amtszeit als Ministerpräsident von Niedersachsen, und Schmitt aufgrund von (offenbar solide fundierten) Vorwürfen, er habe vier Fünftel seiner Doktorarbeit plagiiert. Wie es aus ungarischen Delegationskreisen hieß, war Schmitt nicht einmal dazu bereit, den mitgereisten ungarischen Journalisten die Gelegenheit zum Interview zu geben.

Gastgeberin Halonen wiederum scheidet Ende Februar aus dem Amt. Ihr Nachfolger Sauli Niinistö, Finnlands erstes konservatives Staatsoberhaupt seit mehr als einem halben Jahrhundert, nahm zwar am Treffen teil, allerdings nur als Zaungast.

„Wollen Eurozone mit vielen Mitgliedern“

Ganz oben auf der Agenda stand die europäische Schuldenmisere. Der portugiesische Staatspräsident Anibal Cavaco Silva unterrichtete seine Kollegen über den Umgang seines Landes mit der Krise. Silva gilt als Befürworter einer muskulösen Europäischen Zentralbank, die aktiver ins Krisengeschehen eingreift. „Er ist aber kein europäischer Föderalist“, wie sein Berater José Carlos Vieira gegenüber der „Presse“ betont.

Gastgeberin Halonen jedenfalls wies vor dem Beginn des Treffens ausdrücklich darauf hin, dass ein „starker europäischer Binnenmarkt“ im Interesse der Gemeinschaft sei – „und der Euro ist ein wichtiger Faktor“. Allerdings seien die Eurostaaten mit der höchsten Bonität – dazu zählen Finnland, Deutschland und die Niederlande – nicht in der Lage, die Krise im Alleingang zu stemmen.

„Wir wollen, dass Griechenland in der Eurozone bleibt. Aber Versprechen müssen eingehalten werden“, sagte Halonen, die sich darum bemühte, Unterschiede zwischen dem griechischen Patienten und anderen Krisenländern wie Portugal oder Spanien herzustellen. „Ich wünsche mir eine Eurozone mit möglichst vielen Mitgliedern. Aber die Fundamente müssen solide sein.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.02.2012)

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