„Wollen kein zweites Sarajewo an unserer Grenze“

(c) AP (Ng Han Guan)
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Die Türkei macht Druck in der Syrien-Krise und fordert eine diplomatische Anerkennung der Rebellenarmee. Doch vor einem Alleingang oder gar einer Militärintervention scheut Ankara zurück.

Istanbul. Nun, da der Westen nicht weiß, wie ein Ausweg aus der blutigen Syrien-Krise aussehen könnte, fällt so manchem Politiker die Türkei wieder ein. Der deutsche Außenminister Guido Westerwelle hat es geschafft, als Erster laut zu sagen, was viele denken: Die Türkei soll „eine führende Rolle“ spielen. Eine wichtige hat die Türkei längst übernommen.

Bei einem Besuch in Washington machte der türkische Außenminister Ahmet Davutoğlu Druck. „Wir wollen kein zweites Sarajewo an unserer Grenze“, sagte er in Anspielung auf den Bosnien-Krieg. Die Türkei hat bereits vorgeschlagen, eine Pufferzone an der türkischen Grenze bei Idlib sowie humanitäre Korridore zu den Städten Homs und Hama, den Hochburgen der Opposition, einzurichten. Während dies Forderungen sind, die vor den UN-Sicherheitsrat gehören, bei dem sie gegen das Veto von Russland und China keine Chance haben, richtet sich ein anderer Vorstoß direkt an die USA.

Davutoğlu möchte, dass die aus Deserteuren gebildete „Freie Syrische Armee“ (FSA) diplomatisch anerkannt wird. Bisher scheute die türkische Regierung einen Alleingang. Die Konstellation ist brenzlig. Ankara könnte in einen Bürgerkrieg verstrickt werden und sich gleichzeitig die Feindschaft des Iran und der schiitisch dominierten Regierung in Bagdad zuziehen, die beide auf Assad setzen und eine sunnitische Revolution in Syrien fürchten. Ein Bürgerkrieg in Syrien könnte schlimmstenfalls auch auf den Irak übergreifen und den Osten der Türkei in eine ökonomische Krise stürzen. Der wichtige Partner Russland könnte verärgert werden und so weiter und so fort.

Angst vor zu großer Bürde

Es gibt aus türkischer Sicht viele Gründe, vorsichtig zu agieren. In Ankara gehe die Angst um, dass der Türkei in der Syrien-Krise mehr Verantwortung aufgebürdet werde, als sie tragen könne, schreibt der Ankara-Korrespondent der türkischen Intellektuellenzeitung „Radikal“, Murat Yetkin.

Auch innenpolitisch ist die Türkei nicht reif dafür, militärisch einzugreifen. Es gibt sunnitische Gruppen in der Türkei, die sich massiv für einen Sturz des Assad-Regimes aussprechen. Doch populär ist eine Intervention nicht.

Der Regierung würde mit Sicherheit vorgeworfen, nur als heimlicher Befehlsempfänger der USA zu handeln. Auch bei den Arabern, die im Moment den Sturz von Assad wollen, könnte die Stimmung aus Angst vor türkischer Dominanz kippen. Deshalb ist Ankara bemüht, die Krise zu internationalisieren, statt auf eigene Faust zu handeln.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.02.2012)

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