Burt: „Syrien hat keine Zukunft mit Bashar al-Assad“

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Alistair Burt, Staatssekretär im britischen Außenministerium, will Beweise sammeln lassen für ein Verfahren gegen Syriens Präsident vor dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag.

Die Presse: Russlands Außenminister Lawrow hat hier in Wien davor gewarnt, dass ein Regimewechsel in Syrien direkt in den Bürgerkrieg führe. Hat er damit nicht auch recht?

Alistair Burt: Die Frage, welche Regierung Syrien hat, ist Angelegenheit des syrischen Volkes und nicht des russischen Außenministers. Unsere Position ist klar: Das Töten muss ein Ende haben. Das Regime hat jegliche Legitimität verloren.

Ihrer Ansicht nach hat Syrien also keine Zukunft mit Präsident Assad?

Korrekt. Syrien hatte keine Zukunft mit Bashar al-Assad. Ich sehe nicht, wie Assad seine Autorität wiedererlangen soll, nachdem er fast ein Jahr lang Krieg gegen sein eigenes Volk geführt hat.

Wie kann Assad aus dem Spiel genommen werden?

Das ist nicht die Sache Großbritanniens. Die internationale Gemeinschaft sollte sich hinter die Arabische Liga stellen, die einen Übergangsplan vorgestellt hat.

Warum sollte die Opposition den Plan der Liga akzeptieren, wonach Vizepräsident Faruk al-Sharaa in Syrien die Macht übernimmt, der selbst seit Jahrzehnten Teil des Systems ist?

Der Startpunkt muss das Ende der Gewalt sein. Erst dann kann ein politischer Prozess beginnen. Zudem sollte die Opposition so schnell wie möglich eine gemeinsame Perspektive für Syrien entwickeln.

Würde London Assad Asyl anbieten?

Das ist unwahrscheinlich, die Frage hat sich bisher nicht gestellt.

UN-Menschenrechtskommissarin Pillay warf Syriens Regime „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ vor. Könnte damit nicht eine humanitäre Intervention gerechtfertigt werden?

Wir versuchen jene technisch zu unterstützen, die beweisen wollen, was in Syrien geschieht.

Meinen Sie syrische Oppositionelle?

Nur Syrer vor Ort sind imstande zu dokumentieren, was vorgeht.

Gefährden Sie diese Personen nicht auch, wenn Sie Ihnen Videokameras etc. zukommen lassen?

Ich gehe da nicht in Details. Gefährdet werden durch diese Hilfestellung vor allem jene Kommandanten, die Tötungen befehlen und organisieren. Die Täter müssen wissen, dass man im 21.Jahrhundert damit nicht ungeschoren davonkommt.

Sollte Assad vor das Tribunal in Den Haag gestellt werden?

Das wird von der Beweislage abhängen.

Wie groß ist die Gefahr, dass in Syrien radikale Islamisten Fuß fassen?

Aber verzeihen Sie: Was passiert denn jetzt? Je länger die Gewalt gegen das syrische Volk andauert, desto stärker werden Extremisten.

Eine der Lehren des Arabischen Frühlings ist, dass nach dem Sturz von Diktatoren Islamisten das Vakuum füllen.

Das Vakuum in Tunesien und Ägypten haben Wahlen gefüllt.

Und wer gewann die Wahlen?

Moderate islamische Parteien.

Und die radikalen Salafisten.

Die Salafisten errangen nicht die Mehrheit der Stimmen in Ägypten.

Die Moslembrüder gewannen, die Schwesterorganisation der palästinensischen Hamas, mit der Sie nicht sprechen wollen. Die Gleichung im Nahen Osten hat sich total geändert.

Die Gleichung ist neu. Der demokratische Prozess ist selten schnell und leicht. Aber das Argument, dass nach dem Sturz eines Diktators das Chaos kommt, hält nicht.

Sollen Blauhelme in Syrien zum Einsatz kommen?

Die besten Chancen dafür gibt es nach einem Waffenstillstand.

Um eine Waffenruhe zu erreichen, müssen Sie mit Assad reden.

Das Ende der Gewalt liegt in der Verantwortung des syrischen Regimes und auch Russlands. Wenn Russland die UN-Resolution nicht unterstützt, was bietet es dann an?

Was erwarten Sie von Russland?

Erstens sollten sie Syrien keine Waffen mehr schicken. Zweitens sollten sie das syrische Regime abhalten, die eigenen Leute zu töten.

Auch die Rebellen erhalten Waffen.

Das Vereinigte Königreich weiß davon nichts und ist darin nicht verwickelt. Aber man kann das Regime und die Opposition weder moralisch gleichsetzen noch waffentechnisch. Wer sich Waffen besorgt, um seine Familie zu schützen, reagiert nur auf die Gewalt des Regimes.

Was halten Sie vom Verfassungsreferendum, das Assad am 26.Februar abhalten will. Ist das nicht ein Schritt in die richtige Richtung, der Grundlage für Verhandlungen sein könnte.

Ein Schritt in die richtige Richtung ist es, das Töten zu beenden. Dann könnten wir Assad ernst nehmen.

In Syrien tobt doch auch ein Stellvertreterkrieg. Fordern Sie und andere nicht auch deswegen Assads Rücktritt, weil es den Iran schwächt.

Den Stellvertreterkrieg hat Assad begonnen. Iran unterstützt Syriens Regime in verschiedenster Weise.

Haben Sie Beweise dafür?

Wir haben Beweise für die Verwicklung der Republikanischen Garden in Syrien. Ich bin bereit, mich vom iranischen Staat verklagen zu lassen, wenn das nicht stimmt.

Wie viel Zeit bleibt, um eine Verhandlungslösung im Atomstreit mit dem Iran zu finden?

Keiner weiß, wie viel Zeit noch bleibt. Aber wahrscheinlich weniger als man glaubt. Das Fenster schließt sich. Wir sind nach wie vor zu Verhandlungen bereit. Aber auch alle anderen Optionen bleiben auf dem Tisch.

Auch die militärische Option?

Alle Optionen.

Zur Person

Alistair Burt (geb. 1955) ist seit 14. Mai 2010 Staatssekretär im britischen Außenministerium. Dort ist er unter anderem für den Nahen Osten, Nordafrika, Afghanistan und Pakistan, Nonprofileration und den Antiterrorkampf zuständig. Der gelernte Jurist hat seit 1983 mit kurzer Unterbrechung einen Sitz im britischen Parlament inne, er ist Mitglied der konservativen Partei.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.02.2012)

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