Bericht: Präsidentenwahl schon am 18. März?

Schloss Bellevue
Schloss Bellevue(c) dapd (Paul Zinken)
  • Drucken

Sollten sich die Gerüchte bestätigen und der deutsche Bundespräsident Christian Wulff heute seinen Rücktritt bekanntgeben, könnte bereits in 30 Tagen gewählt werden.

Sollte der deutsche Bundespräsident Christian Wulff zurücktreten, um dem Bundestag die Prozedur einer Immunitätsaufhebung zu ersparen, könnte die Wahl seines Nachfolgers laut Medienberichten am 18. März stattfinden. Nach den Bestimmungen des Grundgesetzes muss dann Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) die Bundesversammlung einberufen. Dazu hat er "bei vorzeitiger Beendigung der Amtszeit" des Staatsoberhauptes nur 30 Tage Zeit, schreibt der Berliner "Tagesspiegel" am Freitag.

Die Bundesversammlung besteht aus den Mitgliedern des Bundestags und einer gleich großen Zahl von Delegierten, die von den Landtagen auf Vorschlag der Fraktionen entsandt werden. Im ersten und zweiten Wahlgang ist die absolute Mehrheit erforderlich, im dritten reicht die relative; dann ist gewählt, wer die meisten Stimmen erhalten hat. In der Vergangenheit wurden mehrere der bisher zehn Präsidenten der Bundesrepublik Deutschland erst im zweiten oder dritten Anlauf gewählt. Wulff selbst wurde 2010 im dritten Durchgang gewählt. SPD und Grüne hatten den parteilosen ehemaligen DDR-Bürgerrechtler und Stasi-Unterlagen-Beauftragten Joachim Gauck ins Rennen geschickt.

Deutschland wählte

Bei der ersten Präsidentenwahl setzte sich 1949 Theodor Heuss von der FDP im zweiten Wahlgang durch. Im ersten waren sieben Kandidaten, darunter der SPD-Vorsitzende Kurt Schumacher, angetreten. Fünf Jahre später wurde Heuss mit 85,6 Prozent der Stimmen ohne SPD-Konkurrenten im ersten Anlauf gewählt. Heinrich Lübke als CDU-Kandidat benötigte 1959 zwei Wahlgänge, bei seiner Wiederwahl 1964 nur einen.

Der Sozialdemokrat Gustav Heinemann wurde 1969 erst im dritten Wahlgang mit der relativen Mehrheit von 49,4 Prozent der Elektorenstimmen gekürt. Seine Nachfolger Walter Scheel (FDP) 1974, Karl Carstens (CDU) 1979 und Richard von Weizsäcker (CDU) 1984 reüssierten im ersten Wahlgang. Während Scheel und Carstens nur knapp die erforderliche absolute Mehrheit erreichten, bekam Weizsäcker eine Zustimmung von 80 Prozent und bei seiner Wiederwahl 1989 von sogar 84,9 Prozent.

Der von CDU/CSU nach dem Rückzug von Steffen Heitmann nominierte Verfassungsgerichts-Präsident Roman Herzog benötigte 1994 drei Wahlgänge. Gegen ihn waren sein späterer Nachfolger Johannes Rau als SPD-Kandidat und im ersten und zweiten Wahlgang Hildegard Hamm-Brücher für die FDP angetreten. Rau wurde 1999 im zweiten Durchgang mit Unterstützung der damaligen rot-grünen Koalition zum Staatsoberhaupt gewählt.

Ex-IWF-Chef Horst Köhler als Kandidat von Union und FDP setzte sich sowohl bei seiner ersten Wahl 2004 als auch bei der Wiederwahl 2009 bereits im ersten Wahlgang durch. Gegen ihn trat beide Male die Universitätsrektorin Gesine Schwan mit Unterstützung von SPD und Grünen an.

"30 ungemütliche Tage"

Für die schwarz-gelbe Koalition und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) werden das - laut "Tagesspiegel" - "30 ungemütliche Tage". Denn es gilt, einen neuen Präsidentschaftskandidaten zu finden. Und zwar, ohne die Regierung zu zerbrechen. Von diesmal 1240 Sitzen in der Bundesversammlung hätte Schwarz-Gelb 622 bis 624, also nur eine hauchdünne Mehrheit. Die Linke (SPD, Grüne und Linkspartei) käme zusammen auf 600 bis 602 Sitze. Von den 16 "Sonstigen" wären zehn "Freie Wähler" aus Bayern, drei NPD-Leute, zwei "Piraten" und einer vom SSW, der Partei der dänischen Minderheit in Schleswig-Holstein. Die Wahrscheinlichkeit, dass Merkel einen schwarz-gelben Kandidaten im ersten oder zweiten Wahlgang durchbekommt, ist gering.

(APA)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.