Rücktritt: Präsident Wulff stolpert über Affären

Deutschland Christian Wulff tritt
Deutschland Christian Wulff tritt(c) EPA (RAINER JENSEN)
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Christian Wulff wirft das Handtuch - weil ihm das Vertrauen einer "breiten Mehrheit der Bevölkerung" fehlt. Die deutsche Bundeskanzlerin Merkel sucht jetzt einen "parteiübergreifenden Kandidaten".

Er war Deutschlands jüngster Präsident. Er wird aber auch als das Staatsoberhaupt mit der kürzesten Amtszeit in die Geschichtsbücher eingehen: Christian Wulff ist heute nach knapp 20 Monaten als deutscher Bundespräsident zurückgetreten.

Eigentlich wollte der 51-Jährige die Affären um seinen Umgang mit befreundeten Unternehmern aussitzen. Der Druck auf ihn hatte sich gestern aber dramatisch erhöht. Die Staatsanwaltschaft gab bekannt, die Aufhebung der Immunität des Bundespräsidenten zu beantragen. Ein beispielloser Akt, der nun aber hinfällig ist.

"Ich trete heute vom Amt des Bundespräsidenten zurück", sagte Wulff in einer kurzen Erklärung in seinem Amtssitz, dem Schloss Bellevue. Wulff erklärte den Schritt damit, dass er sich nicht mehr "uneingeschränkt" seinen Aufgaben widmen könne. Dafür brauche es nämlich "das Vertrauen einer breiten Mehrheit der Bevölkerung". Das hat Wulff nicht mehr, wie er selbst sagt. "Die Entwicklungen der vergangenen Tage und Wochen haben gezeigt, dass meine Wirkungsmöglichkeit nachhaltig beeinträchtigt ist."

Gestern hatten die "Entwicklungen" in der sogenannten Wulff-Affäre eine dramatische Wende genommen: Die Staatsanwaltschaft Hannover teilte mit, dass gegen Wulff und den Filmunternehmer David Groenewold der Anfangsverdacht der Vorteilsannahme beziehungsweise Vorteilsgewährung besteht. Im Falle einer Verurteilung drohen Wulff bis zu drei Jahre Haft.

Es geht um den Austausch von Gefälligkeiten. Groenewold soll Wulff Berichten zufolge im Jahr 2007 einen Sylt-Urlaub bezahlt haben. Wulff, damals CDU-Ministerpräsident in Niedersachsen, will den Betrag später in bar beglichen haben. Ein Jahr zuvor hatte die niedersächsische Landesregierung einer Firma Groenewolds eine Bürgschaft von vier Millionen Euro gewährt, die aber nie in Anspruch genommen wurde.

"Berichterstattung hat mich verletzt"

Wulff sagt dazu heute: "Ich habe Fehler gemacht, war aber immer aufrichtig". Er sei überzeugt, dass die rechtliche Klärung der Vorwürfe gegen ihn "zu einer vollständigen Entlastung führen wird". Die Berichterstattung über die Affären habe ihn und seine Frau verletzt, sagte Wulff.

EPA/MICHAEL KAPPELER

CDU-Bundeskanzlerin Angela Merkel zollte Wulffs Entscheidung "ausdrücklich Respekt". Gleichzeitig drückte Merkel ihr "tiefes Bedauern" über den Schritt aus. Die Regierungsparteien -  CDU, CSU, FDP - würden sich nun beraten und dann auf Grüne und SPD zugehen. Merkel will "einen gemeinsamen, parteiübergreifenden Kandidaten". SPD und Grüne warnten die Regierung aber davor, erst nach der Festlegung auf einen Kandidaten-Vorschlag das Gespräch zu suchen.

Mit der Linkspartei will Merkel nicht reden - "wegen grundsätzlicher Differenzen. Die Vorsitzenden der Linkspartei und der Linken-Fraktion im Bundestag, Klaus Ernst und Gregor Gysi, warnten deshalb vor einem "Parteiengezänk". Sie pochten auf eine Absprache aller Parteien im Deutschen Bundestag.

Wahlen in 30 Tagen?

Die Aufgaben des Bundespräsidenten werden automatisch Horst Seehofer zufallen. Der bayrische CSU-Ministerpräsident ist derzeit nämlich auch Präsident des Bundesrats.

Die Wahl von Wulffs Nachfolge könnte dann möglicherweise schon am 18. März stattfinden. Nach den Bestimmungen des Grundgesetzes muss dann Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) die Bundesversammlung einberufen. Dazu hat er "bei vorzeitiger Beendigung der Amtszeit" des Staatsoberhauptes nur 30 Tage Zeit.

Zwei Rücktritte in zwei Jahren

Mit seinem Rücktritt macht es Wulff seinem Vorgänger Horst Köhler gleich. Dieser hatte im Mai 2010 sein Amt niedergelegt. Er begründete seinen Schritt damals als Reaktion auf die Kritik an seinen Äußerungen in Zusammenhang mit dem Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr. Köhler hatte gemeint, militärische Einsätze könnten auch den wirtschaftlichen Interessen Deutschlands dienen.

Causa Wulff

Die Liste der Vorwürfe gegen den ehemaligen deutschen Bundespräsidenten Christian Wulff ist lang. Zuerst verschwieg er 2009 einen extrem günstigen Privatkredit für sein Haus, dann versuchte er, die Berichterstattung darüber zu verhindern. In den vergangenen Jahren soll er außerdem mehrmals kostenlos in den Häusern befreundeter Unternehmer geurlaubt haben, einen Audi Q3 gratis gefahren und kostspielige Geschenke für seine Familie angenommen haben.

(Red.)

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