Pressestimmen: "Vorwahlkampf beginnt"

Auch im karneval reageirt man auf den Wulff Rücktritt.
Auch im karneval reageirt man auf den Wulff Rücktritt.(c) AP (Michael Probst)
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Spekulationen über Wulffs möglichen Nachfolger und die politischen Folgen für Kanzlerin Angela Merkel.

Der Rücktritt von Bundespräsident Christian Wulff dominiert die Kommentarseiten der deutschen Tageszeitungen am Samstag. Im Mittelpunkt rücken dabei Spekulationen über seinen möglichen Nachfolger und die politischen Folgen für Kanzlerin Angela Merkel und ihre Koalitionsregierung.

"Berliner Zeitung":

"Angemessen wäre es gleichwohl, wenn der Staat, vor allem die ihn tragenden Parteien, Konsequenzen aus der Causa Wulff ziehen würden. Die Wahl dieses Bundespräsidenten war, wie in anderen Fällen zuvor, Teil des politischen Machtkampfs. (...) Nach zwei Pleiten ist die Zeit gekommen, mit dieser Tradition zu brechen. Es spricht alles dafür, für die Wahl des elften Präsidenten nicht einen Kandidaten des Regierungslagers zu nominieren, auch nicht einen der Opposition. Sondern einen gemeinsamen, der schon vor seiner Wahl Ansehen über alle ideologischen Grenzen hinweg besitzt. Er sollte mit gesundem Menschenverstand seine Reden formulieren, er muss kein intellektuelles Feuerwerk abbrennen. Er muss kein Moralist sein, aber er sollte ein Gefühl für Anstand und Moral haben."

"Der Tagesspiegel" (Berlin):

"Mit der Suche nach einem neuen Bundespräsidenten beginnt zugleich der Vorwahlkampf für den nächsten Bundestag. Mit Bedacht hat Angela Merkel der SPD und den Grünen - und nur diesen - ein so offenes Angebot gemacht. Gemeinsam heißt in diesem Fall: Sie will alle Parteien zusammenbringen, die für sie auch als künftige Koalitionspartner denkbar sind. Angela Merkel wäre nie Kanzlerin geworden, wenn sie nicht längst einen Plan hätte, wie sie auch aus dieser Situation, einer Niederlage, einen strategischen Vorteil herausholen kann, bei Feind und Freund, ganz legitim und: ganz legal. Und ein gemeinsamer Kandidat passt eben zu jeder Regierung. Leichter als Wulff wird er - oder sie - es ohnehin haben. Wer möchte schon in einem Land leben, das ständig neue Präsidenten braucht."

"Frankfurter Allgemeine Zeitung":

"Die Stärke der Demokratie liegt in der Qualität und in der Kraft ihrer Institutionen. Die Bundeskanzlerin hat mit ihrer Erklärung nach dem Rücktritt von Bundespräsident Wulff das unsinnige Geschwätz von einer 'Staatskrise' (Sigmar Gabriel) umgehend widerlegt. Wenn ein Repräsentant des Staates zurücktritt, gezwungenermaßen oder freiwillig, dann mag er unter Umständen als Person 'beschädigt' sein, das Amt ist es nicht. Ein Nachfolger wird gesucht, nominiert und muss sich einer Wahl stellen - das ist demokratische Normalität. Und es gehört zur demokratischen Normalität, auch bei der Wahl des Staatsoberhauptes, dass die stärkste politische Kraft, also die Union, die sich in diesem Fall mit ihrem Regierungspartner, der FDP, bespricht, das Vorschlagsrecht hat."

"Westdeutsche Zeitung" (Düsseldorf):

"Wulff war offensichtlich zu unreif für das Amt. Für diese Fehlbesetzung ist vor allem Bundeskanzlerin Angela Merkel verantwortlich, die jetzt schon den zweiten Rücktritt eines Präsidenten erleben muss. Sie wäre gut beraten, ihre Ankündigung, jetzt gemeinsam mit allen wirklich demokratischen Parteien im Bundestag eine Lösung zu suchen, ernst zu meinen. Falls das gelingt, könnte die Kanzlerin ihr Wulff-Desaster sogar noch zu einem für sich und das Land positiven Ende bringen. Der neue Bundespräsident muss allerdings eine wirklich souveräne Persönlichkeit mit festem Charakter sein. Denn wenn der formal erste Mann im Staat stets um das Wohlwollen einer im Tagesgeschäft stehenden Politikerin buhlen muss, kann das niemals gutgehen."

"Stuttgarter Zeitung":

"Nach der Erfahrung mit Wulff, dessen Probleme aus seiner Zeit in Hannover stammen und daher hätten bekannt sein können, werden Bewerber für hohe politische Ämter künftig wohl wie in den USA sehr viel genauer durchleuchtet, bevor sie auf den Schild gehoben werden. Das spricht entgegen einem verbreiteten Vorurteil nicht gegen einen Politiker auf diesem Posten. Schließlich gibt es Dutzende von Politikern, die ein ganzes Berufsleben ihre Ämter untadelig ausfüllen, weil sie über den nötigen Instinkt verfügen und Regeln einhalten, wie sie auch für einen Dorfbürgermeister oder für einen Beschäftigten eines x-beliebigen Unternehmens gelten."

(APA/dpa)

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