Fall Wulff in Österreich nicht unbedingt strafbar

Fall Wulff oesterreich nicht
Fall Wulff oesterreich nicht(c) AP (Michael Probst)
  • Drucken

Bestechen lassen darf sich ein Politiker in Österreich zwar nicht, er darf sich aber beschenken lassen. Hierzulande wäre nicht einmal der Fall Strasser strafbar.

Es war ein schöner Jagdausflug, berichten Teilnehmer. Etwa 15 Hobbyjäger trafen sich Anfang Dezember 2011 beim Truppenübungsplatz Allentsteig, um dort Wildschweine zu jagen. Billig war der Spaß nicht: 1800 Euro waren pro Person fällig. Doch die Teilnehmer mussten sich nicht sorgen: Die Rechnung übernahm ein österreichischer Industrieller. Knapp 30.000 Euro ließ er sich den „Tag mit Freunden“ kosten.

Die Geschichte wäre nicht weiter erwähnenswert, wären unter den Eingeladenen nicht auch ein Nationalratsabgeordneter der ÖVP und ein hochrangiger Beamter des Außenministeriums gewesen. Rechtlich mag die Einladung in Ordnung sein, aber die Optik ist schlecht, gerade in Zeiten, in denen der Lobbyist Alfons Mensdorff-Pouilly mit seinen Jagdeinladungen die halbe Polit- und Wirtschaftselite des Landes in Verlegenheit brachte und in der ein deutscher Bundespräsident deswegen zurücktreten musste, weil er sich einmal zu oft einladen ließ.

In Österreich sind Einladungen und Bevorzugungen von Politikern keine Seltenheit: vom Flug im Privatjet einer Firma zu einem Formel-1-Rennen (Karl-Heinz Grasser) bis zu Skiurlauben in Kitzbühel, die von der Telekom Austria bezahlt wurden. Eine strafrechtliche Grenze wird nicht überschritten. Die österreichischen Korruptionsbestimmungen sind derart, dass bei uns der Fall Christian Wulff nicht unbedingt ein Fall wäre.

Der Hintergrund: Wulff hatte sich als Ministerpräsident von Niedersachsen für die Filmwirtschaft eingesetzt. Dafür übernahm das Land unter anderem 2006 eine Bürgschaft in Höhe von vier Millionen Euro für die Firma von David Groenewold (die Garantie wurde nie in Anspruch genommen).

Ein Jahr später, im Oktober 2007, reiste die Familie Wulff mit dem Produzenten nach Sylt. Gebucht und bezahlt hat den Urlaub Groenewold (die Suite kostete 258 Euro pro Nacht), Wulff will das Geld in bar zurückbezahlt haben. Die Staatsanwaltschaft Hannover vermutet hinter der Einladung mehr und beantragte am Donnerstag die Aufhebung der Immunität Wulffs, um Ermittlungen wegen Vorteilsnahme und Vorteilsgewährung einleiten zu können.

Strafbar macht sich Wulff in Deutschland, wenn er bei der Übernahme der Bürgschaft pflichtwidrig gehandelt hat. Dafür müsste er auch in Österreich mit einem Verfahren rechnen. War aber alles rechtens – und Niedersachsen hatte damals mehrmals Bürgschaften übernommen und Förderungen vergeben – hätte sich Wulff in Österreich als kleines Dankeschön durchaus auf einen Urlaub einladen lassen können. In Deutschland dagegen ist auch das strafbar.

Grund dafür ist, dass Minister oder auch Landeshauptmänner in Österreich keinem Dienstrecht unterliegen. Einem Beamten dagegen ist es untersagt, Geschenke anzunehmen – „außer KK“, wie Christian Pilnacek, Leiter der Strafrechtssektion im Justizressort, sagt: „Kulis und Krimskrams.“

KK hatte von 1. Jänner 2008 bis 31. 8. 2009 durch das sogenannte „Anfütterungsverbot“ auch für Politiker gegolten (die Grenze lag bei 100 Euro). Nach heftigen Protesten aus dem Kultur- und Sportbereich wurden die Bestimmungen derart entschärft, dass Anfüttern heute totes Recht ist.

Die laschen Antikorruptionsregelungen Österreichs stießen zuletzt bei der „Staatengruppe gegen Korruption“ des Europarats (Greco) auf heftige Kritik. In einem Bericht, der Anfang Jänner veröffentlicht wurde, bemängeln die Experten, dass heimischen Politikern bis auf den Stimmenkauf bei einer Abstimmung fast alles erlaubt sei.

Das Verhalten von Ernst Strasser – der EU-Abgeordnete der ÖVP hatte sich bereit erklärt, gegen Geld eine Gesetzesinitative einzubringen – wäre in Österreich nicht strafbar. Hierzulande könnte ein Nationalratsabgeordneter nämlich völlig legal Geld dafür kassieren, um einen Gesetzesantrag zu unterstützen oder in einem Untersuchungsausschuss keine kritischen Fragen zu stellen.


Neue Regeln vor dem Sommer? Für Franz Fiedler sind das völlig unhaltbare Zustände. Der Präsident von Transparency International in Österreich fordert unter anderem, dass auch im Wiener Parlament jene Regeln gelten, die es für EU-Abgeordnete gibt. Außerdem müsse das „Anfütterungsverbot“ wieder eingeführt werden, derzeit sei der „Gefügigmachung von Politikern“ Tür und Tor geöffnet.

SPÖ und ÖVP versprachen nach den jüngsten Enthüllungen, die seit mehr als einem Jahr auf Eis liegende Reform der Antikorruptionsbestimmungen für Politiker doch noch vor dem Sommer umzusetzen. Die Begründung klingt so: „Ich stehe nicht an, jetzt im Lichte dieser jüngsten Erkenntnisse aus dem U-Ausschuss, vielleicht die Verhandlungen schon vor Abschluss des Ausschusses wieder aufzunehmen und zu forcieren“, meinte VP-Klubchef Karlheinz Kopf im ORF-Radio. Für seinen SP-Kollegen Josef Cap wäre ein Inkrafttreten vor dem Sommer „ideal“.

Ähnliches hat man auch schon vor mehr als drei Jahren gehört. Im Dezember 2008 hat die Staatengruppe gegen Korruption ihren ersten Bericht über die Antikorruptionsbestimmungen vorgelegt: Österreich sei, befanden die Prüfer damals, „noch immer in einem frühen Stadium des Kampfes gegen die Korruption“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.02.2012)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

FILE GERMAN6Y POLITICS WULFF
Außenpolitik

Staatsanwaltschaft zweifelt an Wulffs Aussagen

Deutschlands Ex-Bundespräsident Christian Wulff will seine Urlaube bei dem befreundeten Unternehmer David Groenewold bar bezahlt haben. Die Ermittler sehen das offenbar anders.
Former East German rights activist Gauck, the joint candidate of the government and opposition for th
Außenpolitik

Deutschland: Koalition bemüht sich um Frieden

Nach den Streitigkeiten um die Nominierung von Joachim Gauck zum Bundespräsidenten, sind CSU und FDP um Einigkeit bemüht. Die Grünen vermissen indes die "Empathie für die soziale Bewegung".
Gruene Kritik Gaucks aeusserungen
Außenpolitik

Grüne: Kritik an Gaucks Äußerungen über Sarrazin

Die Grünen sprachen sich für Joachim Gauck als Bundespräsident aus. Einige von ihnen üben nun Kritik an seiner Meinung zum Thema Zuwanderung. Ein CSU-Politiker fordert das "Ordnen seiner wilden Ehe".
Außenpolitik

Joachim Gauck: Ein Bürger, der sich die Freiheit nimmt

Der Wanderprediger der Demokratie wird auch als Präsident ein unbequemer Mahner bleiben. Schon seit 20 Jahren tingelt Joachim Gauck durch deutsche Lande. Die Lebensgeschichte des Revolutionspastors imponiert.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.