Joachim Gauck: Ein Freiheitsdenker und Ermutiger

Joachim Gauck Freiheitsdenker Ermutiger
Joachim Gauck Freiheitsdenker ErmutigerEPA (Frey)
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Der 72-Jährige DDR-Bürgerrechtler hätte eine Mehrheit der Bevölkerung für die Wulff-Nachfolge hinter sich.

Würde der Bundespräsident vom Volk gewählt, stünde er vermutlich bereits fest: Die klare Mehrheit der Bundesbürger sieht in Joachim Gauck ein würdiges Staatsoberhaupt. Das wurde am Wochenende erneut bestätigt. 54 Prozent sprachen sich in einer Emnid-Umfrage für die "Bild am Sonntag" für den früheren DDR-Bürgerrechtler aus. Die anderen derzeit zirkulierenden Namen landeten weit abgeschlagen hinter ihm.

Diesem großen Plus steht das große Manko gegenüber, dass mit Gaucks Nominierung das Eingeständnis der Kanzlerin einherginge, im Juni 2010 einen schweren Fehler begangen zu haben. Damals war Gauck als Kandidat von SPD und Grünen an der schwarz-gelben Mehrheit in der Bundesversammlung und an Merkels Wunsch gescheitert, Christian Wulff durchzusetzen.

Als der parteilose Theologe nun mit der Möglichkeit konfrontiert wurde, erneut zu kandidieren, gab er sich betont zurückhaltend. "Ich bin ein glücklicher beschäftigter Mensch", sagte 72-Jährige nach einer Lesung aus seiner Autobiografie "Winter im Sommer - Frühling im Herbst" am Freitagabend in Koblenz.

"Ich habe in meinem Leben Ereignisse erlebt, die lange als unwahrscheinlich galten", hatte Gauck bei seinem ersten Anlauf für das Präsidentenamt gesagt. Den Sturz des DDR-Regimes und die Wendezeit nennt er die "prägende Zeit meines Lebens". Gauck spricht vom "wunderbaren Glück, Teilnehmer einer Freiheitsrevolution" gewesen zu sein. Sein neues Buch, das in diesen Tagen erscheint, trägt den Titel "Freiheit. Ein Plädoyer".

Das Thema Freiheit ist sein steter Begleiter, auch, nachdem im Jahr 2000 seine Amtszeit als Stasiakten-Beauftragter endete. Seitdem ist er in ganz Deutschland unterwegs, um bei Vorträgen oder in Schulen Menschen zu ermutigen - damit sie nicht in Bequemlichkeit verfallen und sich engagieren. "Im Miteinander von Ermutigten sehe ich die Zukunftsperspektiven für mein Land", sagte Gauck 2010 bei seiner Vorstellung als Kandidat.

"Joachim Gauck hat sich in herausragender, unverwechselbarer Weise um unser Land verdient gemacht, als Bürgerrechtler, politischer Aufklärer, Freiheitsdenker, als Versöhner und Einheitsstifter, Joachim Gauck ist Mahner und richtiger Demokratielehrer" - so hatte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) einmal in einer Rede geäußert.

Lebensweg von den Machenschaften der Stasi geprägt

Der Lebensweg des am 24. Jänner 1940 in Rostock geborenen Theologen ist von den Machenschaften der Stasi geprägt. Als evangelischer Pfarrer musste er mit ansehen, wie der Geheimdienst einige junge Leute aus seiner Rostocker Kirchengemeinde monatelang ins Gefängnis steckte, nur weil sie regimekritische Parolen an eine Wand gesprüht hatten. In der Wendezeit widmete er sich ganz der Aufarbeitung des Stasi-Erbes: Als Vorsitzender des Sonderausschusses zur Auflösung des Ministeriums für Staatssicherheit in der DDR-Volkskammer schmiedete Gauck im Sommer 1990 eine breite Koalition für ein Gesetz zur Öffnung der Stasi-Akten.

Am Tag der Wiedervereinigung, dem 3. Oktober 1990, übernahm Gauck dann die Leitung der bald nach ihm benannten Behörde. So wurde er zum prominentesten Gesicht der einstigen DDR-Bürgerbewegung. Es war vor allem Gauck, der beständig vor einem Schlussstrich unter die Auseinandersetzung mit dem Stasi-Erbe warnte - und damit fast zu einer moralischen Instanz wurde.

Nach zwei fünfjährigen Amtszeiten gab Gauck 2000 sein Amt ab, doch er zog sich keineswegs aus der Öffentlichkeit zurück. 2001 versuchte er sich als Fernsehmoderator mit der Talkshow "Gauck trifft...". Im November 2003 wurde er schließlich Vorsitzender des Vereins Gegen Vergessen - für Demokratie. Die Organisation setzt sich ein für die Aufarbeitung des Nationalsozialismus und der DDR-Vergangenheit.

Die Vermittlung substanzieller Werte sei eine Aufgabe, "die ich ohne jedes Amt fortwährend ausübe", sagte Gauck einmal. Nach dem Abgang Wulffs wünschen sich viele Bundesbürger, dass er zur Ausübung dieser Aufgabe nun ins Schloss Bellevue wechseln solle.

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