Am politischen Aschermittwoch badet die CSU in Eigenlob. Für Häme sorgt die Opposition. Die Grenze zwischen krachlederner Rhetorik und Unterschichtfernsehen ist hiermit auch für heuer gänzlich aufgehoben.
Berlin/Gau. Es ist ein seltsamer Brauch: Nach Ende des Faschings streuen Bayerns Politiker (samt Verstärkung aus Berlin) nicht Asche auf ihr Haupt, sondern beflegeln ihre Kontrahenten, während sich ihre johlenden Anhängern mit literweise Bier in Stimmung bringen. Doch gestern schien beim „größten Stammtisch der Welt“, dem politischen Aschermittwoch der CSU in Passau, erst alles anders zu sein.
Ministerpräsident Horst Seehofer musste sich mit Bierzeltgepolter zurückhalten. Er gibt ja schon, zwischen Wulff-Rücktritt und Gauck-Wahl, kommissarisch den Bundespräsidenten – „wir müssen dem Herrgott danken, dass es nur für einen Monat ist“, ätzte auf der kleinen grünen Gegenveranstaltung Parteichefin Claudia Roth. Aber auch der aus der Versenkung geholte Ex-Landesvater Edmund Stoiber lieferte nur eine hemmungslose Hymne auf das „gelobte Land“ Bayern. Zur Wahl Gaucks fiel ihm ein, dass man „auch beim zweiten Aufschlag ein Ass verwandeln kann“.
Zeitgleich höhnte SPD-Chef Sigmar Gabriel über „Drehhofer“, für den es noch am Samstag „gute Gründe gegen Gauck“ gab. Der „Amigo Wulff“ und der „Hochstapler Guttenberg“ hätten „bürgerliche Werte mit Füßen getreten“, was „Merkel zu verantworten hat“. Besonders erbost Gabriel das von der CSU durchgesetzte Betreuungsgeld für Eltern, die ihren Nachwuchs nicht zur Krippe bringen: „Wer die deutsche Sprache in der Verfassung will und zugleich verhindert, dass Kinder im Kindergarten Deutsch lernen, der hat sie nicht alle.“
Dobrindt fürs Dschungelcamp
Da musste die CSU ihre brutalste Waffe auspacken: Generalsekretär Alexander Dobrindt, bei dem sich Genosse noch auf Gosse reimt. Er attackierte Gabriel als „üblen Foulspieler“: „Wenn ich gesagt habe, dass er übergewichtig und unterbegabt ist, war das noch untertrieben.“ Kein Wunder, dass die SPD Dobrindt für solche Sprüche ins Dschungelcamp versetzen will. Dort mag er aber nicht hin: „Wenn ich mich mit Ameisen und Würmern abgeben will, hab ich ja die Bayern-SPD.“ Womit die Grenze zwischen krachlederner Rhetorik und Unterschichtfernsehen auch für heuer gänzlich aufgehoben war.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.02.2012)