US-Wahlkampf: Moralapostel in der Zwickmühle

(c) AP (Nick Oza)
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Mitt Romney und Konsorten nehmen Rick Santorum in die Mangel und werfen dem neuen Darling der Tea Party, ultrarechten Moralapostel und jüngsten Überraschungskandidaten in einem bizarren Wahlkampf Mitläufertum vor.

Los angeles. War es bloß Ausdruck von Übermut oder unterdrückte Emotion, in joviale Bahnen gelenkt? Am Ende der 20. und vorläufig auch letzten TV-Debatte der republikanischen Präsidentschaftskandidaten flogen in der Wüste Arizonas die Fäuste, Hände wirbelten durch die Luft. Während sich Mitt Romney und Newt Gingrich in der CNN-Arena in Mesa im Sparring übten, simulierten Rick Santorum und Ron Paul einen Handschlag, als würden sie einen Tisch zersägen.

Die kleine Showeinlage folgte einem Stakkato von Angriffen gegen Santorum, den ultrarechten Moralapostel und jüngsten Überraschungskandidaten in einem bizarren Wahlkampf, der die Parteigranden in Washington zusehends in Nervosität versetzt. Von links wie rechts prasselten die Attacken auf den Ex-Senator ein, der sich innerhalb der letzten beiden Wochen vom kapitalen Außenseiter zum Mitfavoriten gewandelt hat. Vor den Vorwahlen in Michigan und Arizona am Dienstag und dem „Super-Tuesday“, den Vorwahlen in zehn Bundesstaaten Anfang März, avancierte er zum gefährlichsten Rivalen für Romney.

„Falscher Konservativer“

„Du bist ein falscher Konservativer“, fuhr ihn Ron Paul in schneidendem Ton an. Die Galionsfigur der Libertären und der selbst ernannte Pate der Tea-Party-Bewegung, wegen seines radikalen Freiheitsbegriffs ein Idol von College-Studenten, entpuppt sich immer mehr als heimlicher Wahlhelfer Romneys und Intimfeind Santorums. Im Schulterschluss mit Romney führte Paul die „Verfehlungen“ Santorums als konservativer Mitläufer im Kongress an.

Romney strich dagegen seine Bilanz als Krisenmanager hervor. „Während ich die Olympischen Spiele in Salt Lake City gerettet habe, hast du dich für eine Brücke nach nirgendwo eingesetzt“, kritisierte er Santorum für ein vom Kongress sanktioniertes Infrastrukturprojekt. Als „Earmarks“ genießen derlei Millionenzuwendungen in den Wahlbezirken der Abgeordneten Anerkennung, derweil sie im Rest des Landes als Symbol von exzessiver Bürokratie verteufelt sind. „Und vergessen wir nicht“, setzte Romney nach: „Vor vier Jahren hast du dich für meine Wahl ausgesprochen.“ Tatsächlich hatte Santorum 2008 eine Wahlempfehlung für seinen Kontrahenten abgegeben und ihn als Konservativen gepriesen.

Nach dem Höhenflug und jeweils zwangsläufigen Absturz von teils obskuren Kandidaten fand sich der erzkonservative Katholik Santorum unvermittelt in der Position des „Anti-Romney“. Plötzlich haben Streitfragen wie Abtreibung und Verhütung bei den republikanischen Wählern mehr Gewicht als die Wirtschafts- und Finanzpolitik, die Leibthemen Romneys. Außer die Abwahl des regelrecht dämonisierten Barack Obama entzündet die sozialkonservative Basis der Grand Old Party nichts mehr als der Glaubenskampf – und Santorum ist dafür ein qualifizierter Bannerträger. Homosexualität gilt ihm als Sodomie, Abtreibung lehnt er selbst im Fall von Inzest und Vergewaltigung ab.

So sehr sich Romney auch bemüht, sich als rechter Eiferer zu gerieren: Als moderater Ex-Gouverneur aus dem betont linksliberalen Bundesstaat Massachusetts, als pragmatischer Problemlöser und obendrein als Mormone wirkt er unglaubwürdig.

Besonders peinlich: Meinungsumfragen in seinem Geburtsstaat Michigan, in dem sein Vater George als Gouverneur gewirkt hatte, wiesen zuletzt einen klaren Rückstand Romneys gegenüber Santorum aus. Und das alles trotz prominenter Wahlhelfer und überlegener Finanzressourcen. Dass er als Sohn eines Ex-Bosses eines Autokonzerns für den Bankrott der Weltmarken GM und Chrysler plädiert hat, jedoch für eine Nothilfe für die Wall Street eingetreten ist, verübeln ihm viele im Herzland der US-Autoindustrie. Und auch in Arizona schmolz sein Vorsprung zuletzt signifikant.

Starke Skepsis gegen Romney

Sein TV-Auftritt könnte jetzt eine Wende herbeiführen. Mit Kampfgeist überzeugte ein gut präparierter Romney seine externen Kritiker. Die Skepsis der Parteibasis verfolgt ihn allerdings weiter, schon wird in der Grand Old Party wieder der Ruf nach einem Kompromisskandidaten laut. CNN-Analytiker David Gergen warnte Romney und seine Widersacher: „Je weiter sie nach rechts rücken, desto höher ist der Preis, den sie im Herbst bezahlen werden.“

Im Weißen Haus swingte Barack Obama unterdessen bei einem Blues-Konzert zu Mick Jagger und B. B. King. Die bessere Show liefert der Präsident allemal.

Auf einen Blick

Die vorläufig letzte TV-Debatte der republikanischen Präsidentschaftskandidaten stand ganz im Zeichen von Rick Santorum. Der Ex-Senator führt in Umfragen in Michigan und liefert sich in Arizona ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit Mitt Romney. Der bisherige Favorit warf dem konservativen Katholiken Santorum vor, in Washington nichts gegen die Staatsverschuldung getan zu haben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.02.2012)

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