„Israel könnte den Iran mit seinen 200 Atombomben einfach wegpusten“

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Interview: Der aus dem Iran stammende Regimekritiker Bahman Nirumand hält die Parlamentswahlen für eine „absolute Farce“.

Die Presse: Bei der Parlamentswahl im Iran vor wenigen Tagen wurden die Verbündeten von Präsident Mahmoud Ahmadinejad abgestraft.

Bahman Nirumand: Diese Wahlen waren eine absolute Farce. Zur Wahl standen die Erzkonservativen oder die Ultrakonservativen. Ein Drittel der Bewerber wurde gar nicht erst zugelassen. Man muss sich das vorstellen: Die Mitglieder der Reformbewegung, von denen keiner auf einem Stimmzettel zur Wahl stand, sind Politiker, die jahrelang in Spitzenfunktionen dieses Regimes tätig gewesen sind. Das waren Staatspräsidenten, Parlamentspräsidenten, Minister, die alle jetzt nicht kandidieren durften und von denen einige im Gefängnis sitzen oder unter Hausarrest stehen. Nun verengt sich die Machtbasis des Regimes weiter: Der oberste religiöse Führer Ali Khamenei hatte geglaubt, er habe in Ahmadinejad einen treuen Verbündeten. Doch Ahmadinejad wurde Khamenei zu selbstbewusst. Und nun erleben wir eine Spaltung zwischen dem Lager von Ahmadinejad und dem Lager von Khamenei.

Die Machthaber in Teheran sprechen von einer Wahlbeteiligung von 63 Prozent.

Das ist für mich schwer nachzuvollziehen. Denn diese Millionen, die bei den Protesten nach der Präsidentenwahl 2009 auf den Straßen waren, die sind ja nicht alle plötzlich tot. Die Regierung hat meiner Meinung nach die Legitimität nach den damaligen Wahlfälschungen, der blutigen Niederschlagung der Proteste und dem brutalen Vorgehen gegen Oppositionelle verloren.

Was erwarten Sie im Falle eines Militärschlags durch Israel oder die USA?

Es gibt bestimmte Gruppen im Iran, die einen Militärschlag geradezu herbeisehnen, weil sie die Rettung des Regimes darin sehen. Schon einmal, 1980, hat der Angriff Saddam Husseins auf den Iran das Regime gefestigt. Ayatollah Ruhollah Khomeini nannte den Angriff später ein „Geschenk des Himmels“: Denn 1980 war noch nicht klar, wohin die Revolution steuert. Es gab damals viele oppositionelle Gruppen, die eine Islamisierung der Gesellschaft nicht wollten und sich dagegen zur Wehr setzten. Ich selbst habe damals im Iran die Nationaldemokratische Front (eine linke, laizistische Partei, Anm.)mitbegründet. Zur Gründungsversammlung am Grab des ehemaligen Premiers Mohammad Mossadegh (auf den sich die Vertreter dieser Partei beriefen, Anm.) kamen eine Million Menschen. Nach dem Angriff des Irak auf den Iran hat sich dann das Volk hinter das Regime gestellt, Millionen sind an die Front gegangen. Das Schlimmste war: die Islamisten und Khomeini konnten ihre Ideologie propagieren und die Opposition ausschalten. Jeder Kritiker wurde als Kollaborateur mit dem Ausland bezeichnet und sofort an die Wand gestellt. Wenn der Iran morgen angegriffen würde, dann wäre mit einer sehr ähnlichen Situation zu rechnen.

Die derzeitigen Sanktionen gegen den Iran scheinen Wirkung zu zeigen, die Wirtschaft ist in einem desaströsen Zustand.

Die Sanktionen treffen vor allem die Mittelschicht. Dass eine solche simple Strategie – wirtschaftlicher Druck, und wenn das nicht hilft, dann hauen wir drauf – funktioniert, bezweifle ich.

Wie würde Ihr Rezept lauten?

Anstatt ständig über das Atomprogramm zu reden, muss der Westen den Druck wegen der flagranten Verletzung der Menschenrechte erhöhen. Dann hätte der Westen einen großen Teil des iranischen Volkes als Bündnispartner. Die Mehrheit, die im Iran nach Veränderungen dürstet, würde sagen: „Na guck mal! Der Westen unterstützt uns!“

Das ändert aber nichts daran, dass verschiedene Kräfte im Iran die Bombe wollen.

Natürlich gibt es die...

Wie lässt sich der Bau der Bombe Ihrer Meinung nach verhindern?

Man muss dem Regime die Angst nehmen: Ein Nichtangriffspakt würde Vertrauen schaffen. Die zweite Möglichkeit wäre eine atomwaffenfreie Zone im Nahen Osten. Aber da ist Israel, das selbst Atombomben besitzt, dagegen. Doch selbst wenn der Iran Atombomben hätte: Für den Iran wäre es absoluter Selbstmord, Israel anzugreifen. Israel könnte den Iran mit seinen 200 Sprengköpfen einfach wegpusten.

Manche in Israel argumentieren: Was, wenn die Führung in Teheran irrational ist, was, wenn sie diesen nuklearen Selbstmord nicht fürchtet?

Ich habe in den letzten 30 Jahren nicht den Eindruck gewonnen, dass die Machthaber dort irrational sind. Das sind gewiefte Schachspieler und kühle Rechner, die interessiert einzig und allein der Machterhalt.

Zur Person

Bahman Nirumand musste zwei Mal aus seinem Land fliehen: zuerst vor dem Schah und dann vor den Mullahs. Nirumand lebt als Journalist in Berlin, zuletzt erschien seine Autobiografie: „Weit entfernt von dem Ort, an dem ich sein müsste“. Er war auf Einladung des Instituts für Internationalen Dialog (VIDC) in Wien. [Mirjam Reither]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.03.2012)

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