Iran: Das Geheimnis von Parchin

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Die ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats und Deutschland fordern eine Inspektion der iranischen Forschungsanstalt Parchin: Dort soll an der Atombombe gebastelt worden sein.

Wien/Washington/Wg/Ag. Der Schwerpunkt der Krise um das Atomprogramm des Iran verlagert sich zusehends von den heimlich gebauten Urananreicherungsanlagen hin zur militärischen Forschungsanstalt Parchin bei Teheran: Der Iran soll der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA Zugang zur Anlage gewähren – das forderten die ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats (China, Frankreich, Großbritannien, Russland, USA) sowie Deutschland am Donnerstag in ungewohnter Eintracht vor dem 35-köpfigen Gouverneursrat der IAEA in Wien.

In dem Text heißt es: „Wir fordern den Iran dringend auf, seine Versprechen, Zugang zu Parchin zu gewähren, einzulösen.“ Der Iran hatte Experten der IAEA im Februar den Zugang zur Anlage verweigert – Indizien zufolge gab oder gibt es dort Arbeiten an Bauteilen für Atomsprengköpfe sowie Tests mit simulierten Kernwaffen.

Verdächtige Satellitenfotos

Jüngste Angaben von Diplomaten heizen die Lage weiter an: So sollen Satellitenbilder zeigen, dass es kürzlich intensive Reinigungsarbeiten in Parchin gab, möglicherweise, um Spuren gewisser radioaktiver Atome zu beseitigen. Diplomaten sagten, die Spuren könnten einer „Neutronenquelle“ entstammen: Das ist ein Objekt aus den Metallen Polonium und Beryllium, das in einen Atombombenkern eingebaut wird; nach dessen Zündung werden beide Metalle zusammengepresst und emittieren zusätzliche Neutronen, die die Kernspaltung wie ein „Turbo“ steigern.

IAEA-Beamte hatten Ende Februar beklagt, dass sie nicht nach Parchin durften. Allerdings hieß es aus Irans IAEA-Delegation, dass ein Besuch in Bälde möglich sei; man habe überdies in Vorgesprächen Mitte Februar vereinbart, Inspektoren nach Parchin zu lassen – aber erst nach Abschluss des diese Woche tagenden Gouverneursrats. Zudem sei Parchin eine deklarierte Militäranlage, das Prozedere für einen Besuch daher langwierig. Militäranlagen unterliegen nicht dem IAEA-Inspektionsrecht; wie ein westlicher Diplomat zur „Presse“ sagte, ginge es bei Parchin aber um eine „Geste des Vertrauens“ und einen „Lackmustest“.

Der Iran sage nicht alles über sein Atomprogramm, meinte der Generaldirektor der IAEA, der Japaner Yukiya Amano, zum US-Sender CNN. Der Iran habe zwar Anlagen deklariert und sie der Kontrolle durch die IAEA unterstellt, etwa die Urananreicherungsanlage Natanz, es dürfte aber auch undeklarierte Anlagen geben. Und: „Wir haben Hinweise, dass der Iran Aktivitäten setzt, die für die Entwicklung von Geräten für nukleare Explosionen relevant sind“, sagte Amano, womit er sich an frühere Berichte der IAEA anlehnte.

Bomben für Angriffsaufschub?

In ihrer Stellungnahme bekräftigen die sechs Staaten ihre Unterstützung einer diplomatischen Lösung und ihre Bereitschaft, einen Dialog mit dem Iran wieder aufzunehmen. Teheran müsse zu „ernsthaftem Dialog“ ohne Vorbedingungen bereit sein und sein Atomprogramm „offen“ gestalten, erklärten sie vor dem Gouverneursrat.

Unterdessen berichten israelische Medien sowie militärische Fachmedien, dass die USA Israel in Kürze Tankflugzeuge sowie Munition liefern würden – das sei beim jüngsten Besuch von Israels Premier Benjamin Netanjahu bei US-Präsident Barack Obama vereinbart worden. Angeblich habe Israel versprochen, im Gegenzug für die Güter – darunter vier Lufttanker sowie bunkerbrechende Bomben – im heurigen US-Wahljahr keinen Militärschlag gegen den Iran zu unternehmen. Genau diese Güter wären für einen solchen aber eminent wichtig. Bei den Bomben handle es sich um lenkbare Modelle der Typen „GBU-31“ und/oder „GBU-28“, die 3,5 bis sechs Meter Beton bzw. 20 bis 30 Meter Erde durchbohren können – beide sind für Israels Arsenal indes keine Neuzugänge und für zumindest ein Hauptziel im Iran schlecht geeignet: nämlich für die Urananreicherungsanlage Fordo, die 60 bis 90 Meter tief unter Fels liegt.

„Kriegsgemurmel nicht hilfreich“

Der Westen verdächtigt Teheran seit einem Jahrzehnt, die Bombe zu wollen, was Teheran bestreitet. Israel fühlt sich durch das A-Programm existenziell bedroht, zuletzt wurde wieder von einem baldigen Angriff gemunkelt. Ein westlicher Diplomat sagte dazu zur „Presse“, dass solches „Kriegsgemurmel“ einer diplomatischen Lösung und den Bemühungen der IAEA absolut nicht förderlich sei.

Laut einer aktuellen Umfrage in Israel sind 58 Prozent der Befragten gegen einen Angriff ohne aktive Mitwirkung der USA.

Lexikon

Parchin ist eine Forschungsanlage des iranischen Militärs, etwa 30 Kilometer südöstlich von Teheran. Zu ihr gehören u. a. ein Testgelände für Raketenmotoren und ein Windkanal für aerodynamische Studien an Raketenhüllen. Zudem wird an extrem schnell abbrennenden Sprengstoffen sowie, Indizien zufolge, hyperschnellen Zündern gebaut, wie man sie im Grunde nur für Atombomben braucht. Als Militäranlage unterliegt sie nicht dem IAEA-Kontrollregime, der Iran muss also der IAEA keinen Zugang erlauben; anno 2005 gab es dennoch eine IAEA-Inspektion dort als „Geste guten Willens“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.03.2012)

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