Pitbull Palin in einem Politthriller

(c) AP (J. Scott Applewhite)
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Auf HBO feiert „Game Change“ Premiere, ein Politdrama über den Wahlkampf 2008. Der Bezahlsender setzt mit glänzenden Serien die Standards.

Als Sarah-Palin-Personifikation mit hoch toupierter Frisur, einem Redneck-Akzent à la Alaska und populistischen Parolen riss Tina Fey in der Satireshow „Saturday Night Live“ das Publikum 2008 im Wahlkampffinale zu Lachstürmen hin. Einmal traf Sarah Palin im Studio des New Yorker Rockefeller Center sogar live auf ihre Doppelgängerin, die Peinlichkeit stand ihr ins Gesicht geschrieben.

„Was ist der Unterschied zwischen einer Hockey Mom und einem Pitbull?“, fragte die Politikerin beim Nominierungsparteitag in St. Paul: „Lippenstift.“ Die Figur der Ex-Gouverneurin und republikanischen Ex-Vizepräsidentschaftskandidatin, des Pin-up-Girls der Tea Party, ist wie geschaffen für die Karikatur – und für den Film. Und es dauerte keine vier Jahre, bis Sarah Palin – das Politoriginal aus dem äußerten Nordwesten der USA, das die Nation noch mehr polarisiert als der Präsident aus dem noch ferneren Hawaii – als Hauptdarstellerin eines Politdramas, von Julianne Moore brillant verkörpert, zur Kunstfigur wurde.

Donnerstagabend feierte die hochgelobte Verfilmung von „Game Change“ – nach dem Bestseller der Journalisten Mark Halperin und John Heilemann über die Wahlkampagne, im Newseum, dem Medienmuseum in Washington, Premiere. Am Samstagabend flimmert der Film bereits über die US-Bildschirme – aber nur für die Abonnenten des Kabelsenders HBO (Home Box Office), einer 1972 aus der Taufe gehobenen New Yorker TV-Station, die sich zunächst auf Sport spezialisierte und durch die Übertragung des Boxkampfs Mohammed Ali gegen John Frazier („Thrilla von Manila“) überregionale Bekanntheit in den USA erlangte.

Mit Prestigeprojekten gegen Hollywood

„Game Change“ ist der jüngste Coup des Bezahlsenders aus dem Medienimperium Time Warner, der mit Serien wie der Mafia-Saga „Sopranos“ oder „Sex and the City“ im vergangenen Jahrzehnt für Furore sorgte. Mit glänzend gemachten, filmisch aufbereiteten Serien wie „The Wire“ (über Gangs in Baltimore), „Tremé“ (über die Musikszene in New Orleans), „Boardwalk Empire“ (über das Gangstermilieu in der Spielerstadt Atlantic City) in der Produktion von Martin Scorsese sowie jüngst von „Luck“ (über die Wettszene im Pferderennsport) setzt HBO die Standards im US-Fernsehen.

Mit einer Reihe von Prestigeprojekten und Miniserien läuft der Sender den Hollywood-Produktionen allmählich künstlerisch den Rang ab, in den TV-Kategorien der „Emmys“ und der Golden Globes räumt HBO regelmäßig ab. Interessante Stoffe und Drehbücher ziehen so die Crème de la Crème der Filmakteure an: Dustin Hoffman gibt in „Luck“ einen gealterten Gambler, Nick Nolte einen Pferdetrainer.

Im Fach des Politdramas hat die TV-Serie „West Wing“ über den fiktiven Präsidenten Josiah Bartlet (Martin Sheen), eine Kooperation von Warner Brothers und NBC, Maßstäbe gesetzt. HBO versuchte sich im Vorjahr mit „Too Big To Fail“ und einer Starriege (William Hurt, James Woods, Paul Giamatti) an der Beschreibung des Beinahe-Kollapses der Wall Street im Herbst 2008 und scheiterte in knapp 100 Minuten an der Komplexität des Themas.

Auch bei „Game Change“ mangelt es nicht an einer hochkarätigen Besetzung. Ed Harris spielt den republikanischen Präsidentschaftskandidaten John McCain, Woody Harrelson dessen Wahlkampfmanager Steve Schmidt, der auf die Idee verfällt, die unbeleckte und weithin unbekannte Gouverneurin aus Alaska als Ass aus dem Ärmel zu ziehen. Auf ihre groben Wissenslücken angesprochen, sagt Schmidt: „Aber sie ist doch eine tolle Schauspielerin.“

Für „Recount“, die Verfilmung des Polit-krimis um die US-Präsidentschaftswahl im Jahr 2000, erwarb sich Regisseur Jay Roach allseits Meriten – selbst aus dem konservativen Lager, das Hollywood stets verdächtigt, auf dem „linken“ Auge blind zu sein. Dass sein Film mitten in die Wahlkampfsaison fällt und das Duell Obama-Clinton völlig außer Acht lässt, stieß auf Kritik. Erwartungsgemäß mokierte sich auch Palin. Kurzerhand drehte sie die HBO-Lettern um: BHO, die Initialen von Barack Hussein Obama.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.03.2012)

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