Israel müsste für Angriff auf Iran hohen Preis zahlen

(c) AP (Charles Dharapak)
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Verteidigungsminister Barak rechnet mit einigen hundert israelischen Opfern. 200.000 Raketen seien auf Israel gerichtet. Premier Netanjahu sagte, ein Angriff sei keine Frage von Wochen, aber auch nicht von Jahren.

Jerusalem. Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu ist fest entschlossen, eine atomare Bewaffnung des Iran notfalls auch mit militärischen Mitteln zu verhindern. Innerhalb der nächsten Monate sieht er die Entscheidung kommen. Ein Angriff auf iranische Nuklearanlagen sei keine Frage von Tagen oder Wochen, aber auch nicht von Jahren, erklärte Netanjahu im israelischen Fernsehen.

Es dürfe keine Bedrohung durch nukleare Waffen in iranischer Hand entstehen, so der Premier, der darauf hofft, dass ein Krieg nicht nötig sein werde und der Iran dem internationalen Druck doch nachgebe. „Das würde mich zum glücklichsten Mann machen, und ich denke, jeder israelische Bürger würde glücklich sein.“

Jüngsten Umfragen zufolge dreht sich die Stimmung im Land. 58 Prozent der Befragten würden einem Angriff ohne amerikanische Rückendeckung ablehnen. Vor ein paar Monaten waren es nur etwa 40 Prozent. Immer intensiver beschäftigen sich die Medien mit einem Thema, das sie bisher gemieden haben: dem Preis, den Israel bezahlen müsste für den Militärschlag gegen die iranischen Atomanlagen.

„Angriff kein Betriebsausflug“

Verteidigungsminister Ehud Barak stellte in der Vergangenheit die Zahl „einiger hundert“ Opfer in den Raum. Diese Woche machte auch Netanjahu klar, dass „Raketen auf Tel Aviv einem Atomstaat Iran vorzuziehen sind“, und zog damit den Kreis um die Gruppe, die zuerst betroffen sein würde.

Alle Raketen, daran will niemand Zweifel lassen, wird das israelische Luftabwehrsystem nicht abfangen können, obschon dieser Posten zu den kostenintensivsten des gesamten Verteidigungsapparates gehört. Insgesamt seien derzeit nicht weniger als 200.000 Raketen auf Israel gerichtet, syrische und libanesische inbegriffen.

Aviv Kochavi, Chef der militärischen Abwehr, hat enthüllt, dass die meisten Raketen eine Reichweite von mehr als 40Kilometern hätten und mit Sprengsätzen bestückt werden könnten, die mehrere hundert Kilogramm wögen. Die Raketen-Abschussbasen seien schwieriger auszumachen, außerdem steige die Zielgenauigkeit der Geschosse. Allein die libanesische Hisbollah habe ihre Waffenlager seit dem Krieg vor sechs Jahren um das Zehnfache aufgestockt und könnte nach Einschätzung des Militärs mit tausenden Kurz- und Mittelstreckenraketen rund 200 israelische Zivilisten töten.

Unter der Überschrift „Mathematik des Grauens“ rechnete die Zeitung „Yediot Achronot“ die irakischen Raketen 1991, die Raketen der Hisbollah während des Libanonkrieges 2006 plus den Terroranschlag in Buenos Aires zusammen und multiplizierte das Ganze mit drei oder fünf. „Die Prognose“, so die Zeitung unter Bezug auf führende Militärs, stütze sich auf „die Annahme, dass der Iran auf den israelischen Angriff reagieren wird, ohne sich jedoch einem regionalen Krieg verleiten zu lassen“.

Zwi Barel fordert in der liberalen Zeitung „Haaretz“ einen „Volksentscheid zum Angriff gegen den Iran“. Barel, der als Militärexperte gilt, erinnerte an den Krieg im Gazastreifen und daran, welchen Schaden eine 500 bis 750 kg schwere Bombe anrichten kann. Schon vor vier Jahren sei Teheran im Besitz von „rund 300 Shahab-3-Raketen gewesen“, die dieses Gewicht tragen können. Die politische Führung, so schimpft Barel, solle endlich damit aufhören, der Bevölkerung weiszumachen, dass „ein Präventivschlag so etwas Ähnliches sei wie ein Betriebsausflug“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.03.2012)

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