Taliban-Milizen wollen die drei Witwen Bin Ladens mit Anschlägen freipressen

(c) AP (Anjum Naveed)
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Anklage gegen Hinterbliebene des al-Qaida-Chefs wegen illegaler Einreise. Die Reaktion der pakistanischen Taliban kam prompt: Sie drohen mit Angriffen auf Regierungsvertreter, Polizei und Militär.

Islamabad/Wien. Die Osama-Bin-Laden-Villa in der pakistanischen Garnisonsstadt Abbottabad ist abgerissen, es hat den Anschein, als wollte Pakistan die Causa Bin Laden möglichst rasch der Vergessenheit anheimfallen lassen.

Doch nun taucht Bin Laden in den Schlagzeilen der pakistanischen Gazetten wieder auf: Gegen die drei Witwen des im Mai 2011 bei einem Einsatz von US-Spezialeinheiten getöteten al-Qaida-Führers Osama Bin Laden wird Anklage erhoben. Der Vorwurf: Sie seien illegal ins Land gekommen.

Sie stehen derzeit in einem „komfortablen Haus mit fünf Zimmern“ unter Hausarrest, sagte Innenminister Rahman Malik auf einer Pressekonferenz am Donnerstag. Auf der Website des pakistanischen TV-Senders Geo wird Malik mit den Worten zitiert, den Kindern werde die Ausreise gestattet, da gegen sie nichts vorliege.

Die Reaktion der pakistanischen Taliban kam prompt: Sie drohen mit Angriffen auf Regierungsvertreter, Polizei und Militärs, sollten die inhaftierten Witwen des früheren al-Qaida-Anführers nicht freigelassen werden. „Wenn die Familie Bin Ladens nicht so schnell wie möglich entlassen wird, werden wir die Richter, Anwälte und Sicherheitskräfte angreifen, die an dem Verfahren beteiligt sind“, sagte ein Taliban-Sprecher am Freitag.

Nach einem Bericht der „New York Times“ hat Zakaria Ahmed al-Sadadh, ein Schwager Bin Ladens, beim Obersten Richter Pakistans, Iftikhar Muhammad Chaudhry, einen Antrag auf Freilassung seiner Schwester Amal Ahmed al-Sadah und ihrer fünf Kinder gestellt.

Doppelt peinlich für Pakistan

Die Pressekonferenz von Innenminister Malik, zu der auch internationale Journalisten eingeladen waren, fand einen Tag nach seiner Aussage vor der „Abbottabad-Kommission“ statt. Dieser Untersuchungsausschuss soll die Umstände rund um den Tod von Bin Laden klären. Wann die Ergebnisse der Kommission, bei der ein früherer Richter des Obersten Gerichtshofs den Vorsitz führt, veröffentlicht werden, ist nicht bekannt.

Die US-Operation, bei der der Führer des Terror-Netzwerks al-Qaida am 2.Mai getötet worden war, ist für Pakistans Militärs bis heute doppelt peinlich: Wie konnte der gesuchte Terrorist jahrelang unerkannt in der Nähe einer pakistanischen Militärbasis untertauchen? Und: Wie konnte es den US-Kommandoeinheiten gelingen, diese Mission tief im Landesinneren Pakistans durchzuführen?

Malik hatte vor der Untersuchungskommission ausgesagt, dass die pakistanischen Behörden keinerlei Kenntnis über den Aufenthalt Bin Ladens in Abbottabad hatten. Nach Auskunft der Bin-Laden-Witwen lebte der saudische Staatsbürger seit 2005 dort.

Egal zu welchem Schluss die Untersuchungskommission kommen wird, das Verdikt wird für den pakistanischen Geheimdienst und für das Militär höchst unangenehm: Denn entweder es war Inkompetenz, die es zuließ, dass Bin Laden unentdeckt seit 2005 in Pakistan lebte, oder Dienste und Armee hielten ihre schützende Hand über den al-Qaida-Chef.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.03.2012)

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