Ahmadinejad antwortet mit Spott auf Verhör im Parlament

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Der oberste Führer Ayatollah Khamenei setzt Präsident Ahmadinejads größten Widersacher, Ex-Präsident Rafsanjani, als „Aufpasser“ der Regierung ein, um damit Ahmadinejad zu schwächen.

Teheran/Istanbul. Mahmud Ahmadinejad musste sich gestern als erster Präsident in der iranischen Geschichte einer Befragung durch das Parlament unterziehen. Die Anhörung kann der Auftakt zu einem Amtsenthebungsverfahren sein.

Mehrfach hatte Ahmadinejad sein Erscheinen hinausgezögert. Das hat ihm wenig genützt, denn nun musste er knapp zwei Wochen nachdem seine Anhänger bei den Parlamentswahlen eine schwere Niederlage erlitten hatten vor die Abgeordneten treten, deren Mehrheit ihm kritisch gegenübersteht. Doch Ahmadinejad hatte nicht vor, den Zerknirschten zu geben, als er in Begleitung von acht Ministern schließlich erschien.

Geradezu spöttisch antwortete Ahmadinejad auf die lange Liste von Fragen. Die Mehrzahl machte ihn für die schwierige ökonomische Lage des Iran verantwortlich. Insbesondere wurde ihm vorgeworfen, mit der Kürzung von Subventionen für die hohe Inflation verantwortlich zu sein. Auch wurde ihm vorgehalten, sich gegen den religiösen Führer des Iran, Ali Khamenei, gewandt zu haben. Eine andere Frage zielte auf Ahmadinejads Vertrauten, Esfandiar Rahim Mashaei. Mashaei ist ein rotes Tuch für Ahmadinejads konservative Gegner.

Nationalismus statt Islam?

Unter anderem wirft man ihm vor, die religiöse Ausrichtung des Landes durch einen nationalistischen Diskurs ersetzen zu wollen, in dem der vorislamischen Geschichte des Iran ein besonderer Platz eingeräumt wird. Auch das perlte an Ahmadinejad einfach ab. Statt direkt zu antworten, sagte er, er unterstütze die „Geschichte“ des Iran und würde dies nicht bedauern.

Als die Fragestunde um war, sagte Ahmadinejad, das sei kein „schwieriger Quiz“ gewesen. Die Fragen seien von Leuten gekommen, die ihren Mastertitel durch einen Knopfdruck bekommen hätten. Damit spielte er darauf an, dass iranische Parlamentarier einen akademischen Grad haben müssen.

Ahmadinejad mangle es an Respekt für das Parlament, sagte der Abgeordnete Ghodratollah Ali Khani und fügte hinzu: „Hoffentlich ist der nächste Schritt ein Amtsenthebungsverfahren gegen Ahmadinejad.“ Doch Ahmadinejad gibt sich kämpferisch, so wie er am Tag zuvor auch betont hat, dass sich der Iran in der Atomfrage nicht beugen werde. Doch große Trümpfe hat er nicht mehr im Ärmel. Im kommenden Jahr läuft seine zweite und letzte Amtszeit aus. Der religiöse Führer Ali Khamenei wird wohl dafür sorgen, dass kein Vertrauter von Ahmadinejad zur nächsten Präsidentenwahl zugelassen wird. Das Parlament könnte sogar erneut einen Anlauf nehmen, Ahmadinejad gleich abzusetzen.

Das Regime ist zerstritten

Doch hier ist sein einziger starker Punkt. Ein Amtsenthebungsverfahren kurz vor Ende der Amtszeit wird Khamenei seinem Regime nur ungern antun. Das auch noch bei einem Präsidenten, der zweimal mit seiner vollen Unterstützung ins Amt gekommen ist, das zweite Mal, obwohl ihm Hunderttausende auf den Straßen Wahlbetrug vorgeworfen haben. Heute steht Ahmadinejad vor enormen wirtschaftlichen Herausforderungen: Die Inflation steigt, der Ölexport geht wegen der Sanktionen gegen das iranische Finanzsystem zurück. Im Sommer drohen wegen des Embargos der EU weitere Ausfälle. Außerdem ist in Damaskus einer der wichtigsten Verbündeten in Not.

All das müsste das Regime eigentlich zusammenschweißen, tut es aber nicht. Andererseits sollte sich der Westen über Irans Probleme nicht zu sehr freuen. Ein Regime, das so sehr zerrissen ist, hat kaum die politische Kraft, einem Kompromiss in der Atomfrage zuzustimmen. Während Ahmadinejad im Parlament Witze macht, trudelt sein Land und mit ihm die Welt immer mehr in eine ernste Krise.

Ali Khamenei reagierte indessen auf seine Weise. Kurz nach Ahmadinejads Auftritt setzte er den in Ungnade gefallenen ehemaligen Präsidenten, Akbar Hashemi Rafsanjani, wieder als Vorsitzenden des mächtigen „Rates für das Nützliche“ ein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.03.2012)

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