Iran-Krise: US-Generäle warnen vor Angriff

(c) AP (Eric S. Powell)
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Hohe US-Militärs raten Israel von einer Attacke auf Irans Atomanlagen ab. Das hätte die Verwicklung der USA und einen Regionalkrieg zur Folge, ergab ein elektronisches „Kriegsspiel“.

Washington/Wien. Ein baldiger Krieg gegen den Iran spukt nicht nicht nur in den Köpfen von Israels Verteidigungsminister Ehud Barak und dessen Generalstab herum, sondern auch in denen der Pentagon-Strategen in Washington: Während Barak zuletzt vor einer „Zone der Immunität“ warnte, in die Irans Atomprogramm aufgrund seines technischen Fortschritts demnächst abtauchen könnte, schlagen US-Militärs um Generalstabschef Martin Dempsey Alarm vor den Folgen einer Präventivattacke Israels gegen Teherans Atomprogramm.

Hintergrund, so berichtet die „New York Times“, war ein zwei Wochen dauerndes „Kriegsspiel“, die computergestützte Simulation eines Iran-Kriegs namens „Internal Look“, die jüngst stattfand. Dabei spielte man vom Sitz des US- Central Command (Centcom) in Tampa, Florida, aus Szenarien durch, welche unmittelbaren Folgen ein massiver israelischer Luftangriff auf den Iran haben könnte.

General sehr beunruhigt

Und dabei ergab sich erstens, dass er fast unweigerlich eine Verstrickung der USA zur Folge hätte – und dass ein regionaler Krieg rund um den wegen des Ölnachschubs bedeutsamen Persischen Golf nicht nur in kurzer Zeit mindestens hunderten Amerikanern das Leben kosten würde, sondern dieser dem Iran nur begrenzt schaden würde. Insbesondere General James Mattis, Chef der US-Truppen im Nahen und Mittleren Osten, zeigte sich beunruhigt von den Ergebnissen der Simulation.

Centcom in Florida ist das oberste Kommando für Aktionen im Nahen und Mittleren Osten, in Ostafrika und Zentralasien. Die ersten Folgen, die Internal Look, dem ein zweiwöchiger Kriegsverlauf zugrunde lag, „voraussah“, waren Nachstellungen iranischer Kampfjets, die den abfliegenden Israelis weit folgen würden, und ein rascher iranischer Angriff gegen mindestens ein großes US-Kriegsschiff im Persischen Golf.

Rund um die Straße von Hormuz kreuzen in der Simulation zwei US-Flugzeugträger und eine Armada der US-Marine. Die Iraner würden die USA bei einem israelischen Angriff als Komplizen Jerusalems sehen und mit Anti-Schiff-Raketen oder U-Booten einen Vergeltungsschlag führen – der aber würde nicht nur Angriffe der US-Luftwaffe gegen Raketenstellungen und Marineeinrichtungen auslösen, sondern auch gegen Irans Atomanlagen – sofern der US-Präsident letztere nicht ausdrücklich untersagen würde.

Dauerhafter Kriegszustand

Die Militärschläge, so das Kalkül, dürften dem Nuklearprogramm Teherans kaum zusetzen und es um nur eines, bestenfalls drei Jahre zurückwerfen. Zudem hinterließen sie eine dauerhaft kriegerische Lage in der Region.

Die Internal-Look-Simulationen von Centcom finden schon seit den 1980ern statt und sollen die Planungsvorgänge und Kommunikationskanäle zwischen dem Pentagon, Centcom und den US-Feldbefehlshabern in der Region einem Härtetest unterziehen, zudem werden logistische Notwendigkeiten und Machbarkeiten erörtert. Die Spiele, an denen nur Stabsoffiziere und Experten (manche geben den Gegner) teilnehmen, aber keine echten Truppen, finden meist alle zwei Jahre statt.

In den 1980ern wurde meist geübt, wie man einer Invasion des Iran durch die UdSSR, die Ölfelder und Häfen am Golf und Indischen Ozean zu erobern trachtete, begegnen könne. Dazu hätten die USA sechs mechanisierte sowie Panzerdivisionen nach Saudiarabien verschifft, die den Süd- und Westiran entlang des Zagros-Gebirges besetzt hätten. Juli 1990 änderte Centcom das Szenario und nahm eine Invasion Saudiarabiens und Kuwaits durch Iraks Armee an.

Prophetische Spiele

Gespenstischerweise besetzten irakische Truppen am 2. August 1990 plötzlich Kuwait. Und danach hielt sich die Entwicklung des Golfkriegs 1990/91 und seiner organisatorischen Anforderungen weitgehend an die Prognosen der Simulation – und zwar dermaßen, dass hohe Offiziere sagten: „Hey, genauso haben wir das schon bei ,Internal Look‘ gemacht.“

Lexikon

„Internal Look“ sind computerbasierte Simulationen politisch-militärischer Szenarios im Rahmen des Central Command der
US-Streitkräfte. Es sind virtuelle Manöver, die mögliche Entwicklungen einer Krise, Gegenmaßnahmen und logistische Anforderungen durchspielen. Sie finden seit den 1980ern im Rahmen des „Central Command“ statt, des US-Kommandostabs für den Nahen und Mittleren Osten, Zentralasien und Ostafrika.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.03.2012)

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