Türkische Warnung an Assad: „Regime kann nicht überleben“

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Der türkische Außenminister Davutoğlu zelebrierte beim Besuch in Wien seine neue Freundschaft zu Spindelegger und drängte auf Syrien-Engagement. Er forderte einen humanitären Zugang zu Homs und anderen Orten.

Wien/W.s./Cu. Es wirkte wie ein Treffen alter Freunde. Sie lächelten, sprachen einander mit Michael und Ahmet an. Bei der Pressekonferenz des österreichischen und des türkischen Außenministers am Donnerstag in Wien schien nichts darauf hinzudeuten, dass im vergangenen Jahr in den bilateralen Beziehungen nicht immer alles eitel Wonne gewesen war. Spindelegger hatte Ankara damals offen „Wortbruch“ vorgeworfen. Zuvor hatte die Türkei mit einem Veto verhindert, dass Ex-Außenministerin Ursula Plassnik Generalsekretärin der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) wird.

Doch das schien nun vergessen. „Michael hat mir gezeigt, dass bei einem Gespräch neue Dimensionen eröffnet werden können“, sagte der türkische Außenminister Ahmet Davutoğlu. Er und Spindelegger wiesen auf die engen wirtschaftlichen Beziehungen hin und darauf, dass Österreich der größte ausländische Investor in der Türkei sei. Davutoğlu sprach erneut von einer Brückenfunktion von 260.000 türkischen und türkischstämmigen Menschen in Österreich. „Sie sollen in Österreich leben, ohne ihre kulturellen Wurzeln zu verlieren. Aber sie müssen die deutsche Sprache lernen.“

Visa-Liberalisierung gefordert

Ein Thema, das die Beziehungen zwischen Wien und Ankara zuletzt immer wieder belastete, ist der EU-Beitritt der Türkei. Der türkischen Regierung ist bewusst, auf wie wenig Gegenliebe die Idee einer türkischen EU-Vollmitgliedschaft in Österreich stößt. Spindelegger meinte nun, dass Österreich bei den Beitrittsgesprächen kein einziges Kapitel blockiert habe. Er machte sich sogar dafür stark, bei den Verhandlungen mit Ankara das Energiekapitel möglichst rasch zu eröffnen. Zwar sei man für eine privilegierte Partnerschaft mit der Türkei, so Spindelegger. „Die Vollmitgliedschaft ist aber auch für uns der Maßstab.“

Davutoğlu äußerte im Zusammenhang mit der EU auch einen konkreten Wunsch: Er hoffe auf Österreichs Unterstützung in der Visafrage, sagte der türkische Außenminister. Ankara möchte, dass türkische Staatsbürger in Zukunft ohne Visum in den Schengen-Raum einreisen können. Am Nachmittag legte der „Professor“ in einem Privatissimum mit österreichischen Journalisten in der Botschaft nach. „In der jetzigen wirtschaftlichen Situation will kein Türke in die EU umziehen. Aber es gibt viele, die gerne als Touristen nach Wien kämen.“

Emotional wurde Davutoğlu, als Syrien zur Sprache kam. „Syrien spielt auf Zeit. Wir müssen das Blutvergießen stoppen.“ Ein Regime, das Krieg gegen sein eigenes Volk führe, könne nicht überleben. „Das ist gegen die Logik der Geschichte“, sagte Davutoğlu. Er forderte einen humanitären Zugang zu Homs und anderen Orten.

Zu Beginn des Aufstandes in Syrien hatte die Türkei versucht, in dem Nachbarland zu vermitteln, ohne Erfolg. Syriens Machthaber Bashar al-Assad habe „unter vier Augen Versprechen gegeben, die er nie einhielt“, so Davutoğlu.

Seit Beginn des Aufstandes nahm die Türkei 17.000 syrische Flüchtlinge auf. In den vergangenen zehn Monaten habe Ankara für die Flüchtlinge 100 Millionen Dollar ausgegeben, sagte Davutoglu.

Er will eine möglichste breite Allianz zur Lösung der Krise schmieden. „Wir wollen auch mit dem Iran darüber sprechen.“ Am 1.April findet in Istanbul dazu ein Treffen der „Freunde Syriens“ statt, an dem auch Außenminister Spindelegger teilnehmen wird.

„Wir müssen versuchen, auch Syriens Christen dafür zu gewinnen, dass sie sich der Opposition anschließen“, erklärte Spindelegger. „Assad wird keine Zukunft in Syrien haben.“ Bisher stand Syriens christliche Minderheit eher auf der Seite des Regimes.

„Iran-Krieg führt in Katastrophe“

Davutoğlu warnte Israel vor einem Angriff auf den Iran. Das führe zu einer „Katastrophe“. Auch Sanktionen wären nicht hilfreich, sondern nur Verhandlungen. Ziel müsse sein, dass in der Region weder der Iran noch Israel über Atomwaffen verfügten. Eine Normalisierung der Beziehungen zu Israel kann sich Davutoğlu nur unter einer Bedingung vorstellen: Wenn sich Israel dafür entschuldige, im Sommer 2010 neun türkische Staatsbürger auf dem Gaza-Hilfsschiff Mavi Marmara ermordet zu haben.

Zur Person

Der türkische Außenminister Ahmet Davutoğlu gilt als Architekt der neuen türkischen Außenpolitik. Ankara versucht dabei seit Jahren, gute Beziehungen zu den Nachbarn aufzubauen und die Politik vom arabischen Raum bis Südosteuropa stärker mitzugestalten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.03.2012)

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