Israelische Demonstranten wollten die unabsehbaren Kosten und Opferzahlen eines Militärschlags gegen Irans Atomanlagen aufzeigen. Ein Krieg habe nichts mit den beiden Völkern zu tun.
Tel aviv. Einige hundert israelische Kriegsgegner waren dem Protestaufruf im Internet gefolgt. „Von Teheran bis Haifa – wir wollen keinen weiteren Krieg“, riefen sie am Samstagabend in Tel Aviv und protestierten damit gegen einen möglichen israelischen Präventivschlag auf die iranischen Atomanlagen. „Mit Worten reden, nicht mit Raketen“, stand auf den Plakaten und: „Geld für die Wohlfahrt, nicht für die Rüstung.“
Ein Krieg habe nichts mit den beiden Völkern zu tun, sagen sie, sondern sei allein Angelegenheit der Führungen. „Iranians – we love you“, ist auch die Botschaft einer neuen, über Facebook verbreiteten Kampagne, mit der sich israelische Bürger von ihrer Führung distanzieren, wenn sie vom Krieg spricht. Schon kommen die ersten Rückmeldungen begeisterter iranischer Facebook-Nutzer. Auch die hohen Kosten, die zulasten sozialer Leistungen gingen, werden gegen einen Krieg angeführt.
32 Prozent lehnen Angriff ab
Die Regierung in Jerusalem diskutiert offen die Option eines Militärschlags, sollten die Sanktionen den Iran nicht doch noch zur Abkehr vom Atomforschungsprogramm bewegen. Die Führung in Teheran beteuert seit Jahren, das Atomprogramm diene nur friedlichen Zwecken.
Bis zum Herbst, so vermuten Militärexperten, könnte Israel agieren. Danach wären nur noch die USA in der Lage, die unter dicken Betonschichten verborgenen Anlagen zu erreichen. Umfragen von Anfang März deuten auf zunehmendes Zögern in der israelischen Öffentlichkeit hin. Etwas über 40 Prozent der Befragten würden nur eine konzertierte Aktion zusammen mit den USA befürworten, keinen Alleingang Israels. 32 Prozent lehnen einen Angriff grundsätzlich ab.
Vor knapp zwei Wochen postierte Ronny Edri ein Bild von sich und seiner Tochter auf Facebook. „Iraner – wir werden niemals euer Land angreifen“, steht auf einem rosa Plakat mit blauem Herz. Edri gibt zu, dass das Poster nicht besonders geistreich sei. „Das Fantastische ist, dass mit so wenig schon so viel erreicht werden kann“, sagt er. Das Herz und ein bisschen Liebe haben zahlreiche Iraner umgekehrt dazu motiviert, ihre Zuneigung zu den Israelis zu formulieren. „We Iranians love you too“, heißt es in einer Nachricht auf Facebook. Frieden und Freundschaft strebten sie an: „Wir wollen nicht eure Feinde sein.“
„Die Kampagne verbreitete sich wie die Wolke einer Atombombe“, lautet der etwas dickfellige Kommentar eines Reporters der öffentlichen Fernsehnachrichten. Tausende Facebook-Nutzer klickten auf „gefällt mir“. Etwas anders geht es bei Tzvika Bassor zu, der auf seiner Facebook-Seite eine aggressivere Linie verfolgt, wenn er von einer „Achse des Bösen“ spricht und frei nach Ex-US-Präsident George W. Bush den Bogen von Teheran diesmal nicht nach Damaskus, sondern nach Jerusalem zieht. „Fuck you, Mr. Ahmadinejahu“, schreibt er und meint beide, den iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinejad und Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu zusammen. Auf seiner Facebook-Seite vereint er die beiden per Fotomontage zum Kuss.
Bassor initiierte die Demonstration am Samstagabend. „Etwas mehr als tausend Demonstranten sind nicht viel“, räumt er ein. Die meisten Teilnehmer kamen Medienberichten zufolge aus dem linken politischen Lager. „Wir haben etwas in Gang gesetzt und es gibt noch viele Möglichkeiten.“ Solange es nötig sei, werde er wieder und wieder zum Protest gegen einen Krieg aufrufen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.03.2012)