Das Urteil gegen Gaddafi-Sohn wird im Juni erwartet. Die Anklage lautet auf Mord, Vergewaltigung und Korruption. Er soll Übergriffe nach dem Beginn der Anti-Gaddafi-Proteste angeordnet haben.
Tripolis/Wien/Apa/Sda. somTripolis/Wien/Apa/Sda. Das Internationale Strafgericht (ICC) in Den Haag schaut durch die Finger: Die libysche Übergangsregierung wird Saif al-Islam Gaddafi in Tripolis den Prozess machen und ihn nicht an das Gericht in den Niederlanden übergeben.
Der Gaddafi-Sohn soll bereits in zehn Tagen in die libysche Hauptstadt überstellt werden. Momentan wird er in Zintan, 180 Kilometer südlich von Tripolis, gefangen gehalten. Der Prozessbeginn ist noch unklar. Die Übergangsregierung hat es aber offenbar eilig: Noch vor Mitte Juni werde es einen Urteilsspruch gegen den 39-Jährigen geben – zwei Monate vor den geplanten Parlamentswahlen.
Gaddafi werden Vergewaltigung, Mord und Korruption vorgeworfen. Er soll Übergriffe nach dem Beginn der Anti-Gaddafi-Proteste in Benghazi, Misrata und Tripolis angeordnet haben. Die neue libysche Führung hat seit der Gefangennahme Gaddafis im Oktober 2011 durchblicken lassen, dass sie ihm in Libyen den Prozess machen will. Menschenrechtsgruppen werfen der Regierung vor, Gaddafi den Zugang zu einem Anwalt zu verunmöglichen; außerdem soll er physischer Gewalt ausgesetzt sein. Zumindest die Haftbedingungen in Tripolis sollen in Ordnung sein. Nach Berichten des „Observer“ ist das Gefängnis mit Moschee und Basketballplatz ausgestattet.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.04.2012)