Schwarzes Meer: Grenzstreit um 17 Quadratkilometer

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Bulgarien und Rumänien zanken sich in aller Freundschaft um ihre Seegrenze. Unter dem umstrittenen Meeresgrund werden Öl- und Gasvorkommen vermutet. Bukarest und Sofia würden „die Angelegenheit rasch lösen“.

Belgrad. Angestrengt müht sich Rumäniens Chefdiplomat, den selbst aufgewirbelten Sturm im Meereswasser-Glas wieder zu besänftigen. Er rechne damit, dass eine Einigung über den exakten Verlauf der Seegrenze mit Bulgarien „sehr rasch“ erzielt werden könne, versicherte Rumäniens Außenminister, Cristian Diaconescu, vergangene Woche erneut. Es gebe „keinen territorialen Konflikt“ zwischen Sofia und Bukarest: Die Angelegenheit sei „keine Frage des Streits, sondern von Gesprächen“.

Dabei hatte Diaconescu die Diskussion um die seit fast zwei Jahrzehnten währenden Verhandlungen der beiden EU-Partner um ihre Seegrenze im März selbst kräftig angeheizt. Sofia und Bukarest müssten eine „politische Debatte“ über die Markierung ihres See-Territoriums führen, hatte der 52-Jährige erst vor drei Wochen in einem Interview gefordert: „Niemand muss deswegen nervös werden. Aber dies ist eine Angelegenheit im nationalen Interesse beider Staaten, die irgendwann gelöst werden sollte. Denn wir sehen, dass Probleme bei Förderkonzessionen auftauchen.“

„Unbegründete Ansprüche“

Zumindest bei Bulgariens Polterpatrioten der nationalistischen Oppositionspartei Ataka fand der Rumäne mit seinem Aufruf zum Diskurs rasch Gehör. Die wirtschaftlichen Interessen Bukarests und die Öl- und Gasvorkommen im Schwarzen Meer stünden hinter den „unbegründeten Ansprüchen“ der Nachbarn auf bulgarisches Territorium, wütete Ataka-Chef Wolen Siderow: Bei einer Demonstration vor der rumänischen Botschaft in Sofia Ende März forderte der EU-Gegner gar „EU-Sanktionen“ gegen Bukarest ein.

Doch obwohl der Vorstoß von Diaconescu auch Bulgariens Blätterwald kräftig rauschen ließ, ist sowohl Sofia als auch Bukarest keineswegs an einer Eskalation des Grenzstreits gelegen. Ob beim gemeinsamen Feldzug für den bislang noch von den Niederlanden verwehrten Beitritt zur Schengen-Zone oder bei bilateralen Projekten wie der Fertigstellung der zweiten Donaubrücke zwischen beiden Staaten bei Vidin: Die beiden EU-Nachzügler haben zu viele gemeinsame Interessen und zu viele eigene Sorgen, um das an sich gute Nachbarschaftsverhältnis wegen des Grenzdisputs zu belasten.

Die Beruhigung der Wogen der Entrüstung ist denn auch auf beiden Donauufern angesagt. Territoriale Konflikte seien im 21.Jahrhundert „absurd“, so Bulgariens Premier Bojko Borrisow. Bukarest und Sofia teilten „dieselben europäischen Werte“ und würden „die Angelegenheit rasch lösen“, versichert Staatschef Rossen Plevneliew.

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Handfeste Interessen

Doch auch wenn die beiden Nachbarn nur in aller Freundschaft und in endlosen Verhandlungsrunden um den ölgetränkten Meeresgrund ihrer Seegrenze zu diskutieren pflegen, speisen den Grenzstreit handfeste Interessen. Nicht nur vermutete Öl- und Gasvorkommen, sondern auch der geplante Verlauf der konkurrierenden Pipelineprojekte Southstream und Nabucco machen die 17 umstrittenen Quadratkilometer Meereswogen für beide Nachbarn interessant.

Meldungen, dass Sofia bereits mit dem US-Ölriesen Exxon in Verhandlungen für die Vergabe von Förderkonzessionen in Verhandlungen steht, lassen Bukarest nun verstärkt auf eine Einigung im leidigen Grenzdisput dringen. Rumänien suche offenbar eine „schnelle Lösung“, so Bulgariens Präsident Plewneliew.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.04.2012)

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