Italien will Parteienfinanzierungen strenger kontrollieren

Der zurückgetretene Lega-Nord-Chef Umberto Bossi
Der zurückgetretene Lega-Nord-Chef Umberto Bossi(c) EPA (Paolo Magni)
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Zwei Milliarden erhalten die Parteien pro Jahr vom Staat für Wahlkämpfe. Die Parteibilanzen sollen nun unabhängig geprüft werden. Die Lega Nord beauftragt ein eigenes Prüfungsunternehmen.

Unter dem Druck mehrerer Skandale um die Veruntreuung von Parteigeldern will das italienische Parlament ein neues Gesetz zur Regelung der Parteieinfinanzierungen durchzusetzen. Demnach soll das Parlament in Rom stärker kontrollieren, wie die rückerstatteten Wahlkampfgelder von den politischen Gruppierungen verwendet werden. Die Parteibilanzen sollen von einer unabhängigen Kommission überprüft werden. Die Ergebnisse der Kontrollen sollen im Internet veröffentlicht werden, beschlossen die Parteien.

Pro Jahr schüttet der italienische Staat mehr als zwei Milliarden Euro an Wahlkampfkostenerstattung aus. Das neue Gesetz zur Kontrolle der Parteienfinanzierung soll sich mit einem neuen Entwurf zur Bekämpfung der Korruption im privaten und öffentlichen Bereich verbinden, an dem die italienische Justizministerin Paola Severino arbeitet.Gianluigi Pellegrino, Rechtsanwalt der "Bewegung für den Schutz der Bürger", rief die in Korruptionsaffären verwickelten Gruppierungen auf, auf die Parteienfinanzierung zu verzichten, die sie im Juli kassieren sollen. Der Verzicht auf die öffentlichen Gelder sei ein notwendiger Schritt, um das Vertrauen der Italiener in das Parteienfinanzierungssystem zurückzugewinnen.

Lega Nord räumt intern auf

Das Thema der Unterschlagung von Parteifinanzierungen belastet zurzeit vor allem die italienische Oppositionspartei Lega Nord. Mehr als 200.000 Euro aus den Parteikassen der Lega sollen illegal an die Söhne von Parteichef Umberto Bossi geflossen sein, der vergangene Woche unter dem Druck des Skandals zurückgetreten ist. Weitere 200.000 bis 300.000 Euro gingen an die Lega-Gewerkschaft SinPa, vermuten die Mailänder Ermittler, die eine ausgedehnte Untersuchung in die Wege geleitet haben. Dabei geht es um die Verwendung von Millionen aus dem Topf der Wahlkampfkostenerstattung, die der Lega jährlich zufließt. Die Untersuchung richtet sich gegen den inzwischen zurückgetretenen Lega-Schatzmeister Francesco Belsito, der als Drahtzieher gilt, und zwei weitere Personen.

Die Partei hat nun die angesehene Buchprüfungsgesellschaft Price Waterhouse damit beauftragt, ihre Bilanzen zu kontrollieren. "Wir wollen die Vorwürfe der Staatsanwälte klären", sagte Ex-Innenminister Roberto Maroni, der nach dem Rücktritt von Bossi das Ruder der Lega Nord übernommen hat. Er will mit den Staatsanwälten zusammenarbeiten, um die Vorwürfe der Veruntreuung von Parteigeldern und Betrug zu klären. Die Lega Nord sei ein Opfer des Skandals und werde als Nebenkläger an einem möglichen Prozess gegen den Ex-Schatzmeister Francesco Belsito teilnehmen.

Bei einer für Donnerstag geplanten Sitzung des Parteigremiums soll der 41-jährige Belsito aus der Partei ausgeschlossen werden. Der Ausschluss aus der Lega droht auch der Vizepräsidentin des Senats Rosy Mauro, die in den Sog des Betrugsskandals geraten ist, sich bisher jedoch hartnäckig gegen einen Rücktritt gestemmt hat. Mauro wird beschuldigt, Parteigelder für die Lega-Gewerkschaft Sinpa veruntreut zu haben, sie hat bisher jedoch alle Vorwürfe zurückgewiesen.

Wird Bossi erneut Parteichef?

Bis Ende Mai will die Lega einen neuen Parteichef küren. Ein Kongress sollte noch vor Ende Juni stattfinden. Nicht ausgeschlossen wird in Lega-Kreisen, dass Bossi seine Kandidatur für die Parteiführung wieder einreichen könnte. Die Lega-Aktivisten scheinen ihm den Vorwurf der Günstlingswirtschaft bereits verziehen zu haben. "Man hat Bossi an der Nase herumgeführt ", sagte Maroni. Im Lega-Skandal ermittelt jetzt auch der italienische Rechnungshof. Von der Staatsanwaltschaft erwartet der Rechnungshof Dokumente, die die Veruntreuung von Parteigeldern belegen.

Ein ausgedehnter Skandal um illegale Parteienfinanzierungen belastet auch die Demokratische Partei (PD). Der Ex-Schatzmeister der in der PD aufgegangene Zentrumspartei "Margherita", Senator Luigi Lusi, hat zugegeben, zu Privatzwecken Millionen Euro aus den Parteikassen entwendet zu haben. Dies soll in Form von Spesenrückerstattung für Wahlkampfausgaben erfolgt sein.

(Ag.)

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