Wie sich der Iran den Weg zur Atommacht bahnt

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Offiziell streitet das Regime in Teheran ab, Atomwaffen zu entwickeln. Das verbiete der Islam. Alle Indizien deuten jedoch darauf hin, dass der Iran zumindest eine Bombe bauen können will.

Wieso sollte man über Bestandteile von Atomwaffen sinnieren oder schon daran basteln, wenn man gar keine Atomwaffen will? Das ist, ganz verdichtet, der Standpunkt der meisten Beobachter zu Status und Ziel jenes Nuklearprogramms, das das Regime des Iran in den 1980er-Jahren während des Kriegs mit dem Irak heimlich initiiert hat, und das 2002 aufgeflogen ist.

Natürlich sind es vor allem die USA und Israel, aber auch Irans Lokalrivale Saudiarabien, die am lautesten Alarm schlagen. Doch auch die Internationale Atomenergiebehörde IAEA in Wien, die zivile Atomanlagen inspiziert und deren Inspektoren seit 2003 den Iran durchkämmen, rückt von ihrer diplomatisch-tänzelnden Haltung ab: Hieß es in früheren Berichten über Irans A-Programm noch, man könne „nicht ausschließen“, dass es militärische Atomforschung gebe, so verlautete im November 2011: „Experimente, die hochexplosive Stoffe in Verbindung mit Nuklearmaterial oder Nuklearmaterialersatzstoffen bringen, sind starke Anzeichen für Waffenentwicklung. Der Iran muss die Überlegung dahinter erklären.“ Oder: „Die Anwendung solcher Studien auf anderes als einen Atomsprengsatz ist unklar.“

„Der Iran sagt nicht alles“

IAEA-Chef Yukiya Amano, ein Japaner, sagte Anfang März: „Wir haben Hinweise, dass der Iran Aktivitäten setzt, die für die Entwicklung von Geräten für nukleare Explosionen relevant sind.“ Der Iran sage sicher nicht alles über sein Atomprogramm und betreibe wohl auch noch versteckte Labors.

Wie die IAEA zu ihren Schlüssen kommt, hat viele Quellen. Etwa über die Inspektoren, die, so erfuhr „Die Presse“ aus Kreisen der IAEA, in Zweierteams etwa 26-mal pro Jahr für je drei bis fünf Tage in den Iran reisen. „Wir sind fast das halbe Jahr dort“, sagt ein Insider. Sie untersuchen deklarierte Atomanlagen und werten Kontrollsysteme aus. Ziel sind vor allem die Urananreicherungsanlagen Natanz und Fordo: Dort wird Rohuran, das man vergast, angereichert. Das heißt, dass der natürliche Urananteil an leicht zerfallenden U-235-Isotopen (0,7 Prozent) an der Gesamtmasse wächst; die vorherrschenden U-238-Atome sind nämlich stabil und für die Nutzung in AKW oder Bomben uninteressant. Steigt der U-235-Anteil auf drei bis fünf Prozent, kann man Brennstäbe fertigen, bei über 85 Prozent Atombombenkerne.

Laut IAEA-Bilanz von Ende 2011 wurden mindestens 4,9 Tonnen leicht angereichertes Uran erzeugt, dazu ein wenig 20-prozentiges Gas, etwa 74 kg. Laut Experten reiche die Menge, wenn man sie weiter konzentriere, für drei Bomben. Der Insider berichtet auch, man vermute, dass an den Kontrollsystemen bisweilen „herumgefummelt“ werde.

Zuletzt wurden andere Quellen wichtiger: Geheimdienste, unabhängige Experten und das eine oder andere „Leck“ im Iran: So tauchten iranische Dokumente auf, die den Bau von Hohlkugeln aus metallischem U-235 beschreiben – so sieht ein Atombombenkern aus. Andere behandeln „Multipoint-Zünder“, also extrem schnell abbrennenden Sprengstoff, der die Kugel umhüllt. Seine Explosionswelle muss die Kugel absolut gleichförmig zur kritischen Masse eindrücken, damit die Kettenreaktion startet. Andere Indizien gibt es über „Exploding Bridgewire Detonators“, das sind im Sprengstoff verlegte Drähte, durch die man Strom leitet, worauf sie in einer Millionstelsekunde verdampfen und den Sprengstoff zünden. Es gibt kaum zivile Anwendungen dafür, zudem wurde das System erstmals für die US-Atombomben von 1945 konstruiert.

Auch soll der Iran an Computersimulationen über die Ausbreitung von Neutronen arbeiten, wie es bei einer Kettenreaktion geschieht, und an Studien zur Unterbringung einer kugeligen Last in einer „Shahab-3“-Rakete (s. Geschichte unten).Zuletzt tauchten Berichte über nukleare Studien im militärischen Forschungszentrum Parchin auf. Die IAEA dürfte es zwar nicht besuchen, der Iran hat eine Visite aber Mitte März als „möglich“ bejaht; geschehen ist bisher nichts. Alle Informationen seien „höchst glaubwürdig“, heißt es.

Doch wie weit ist der Iran von der Bombe entfernt? Die Angaben sind widersprüchlich, zumal im Lauf der Jahre vor allem diverse israelische „Quellen“ warnten, die Bombe werde binnen ein, zwei Jahren da sein. Zuletzt hieß es aber vonseiten des US-Militärs, der Iran wolle gar keine Bombe fertigstellen – allgemein glaubt man, dass die Mullahs nur an die Schwelle zur Atommacht kommen wollen: an den Punkt, von dem aus sie einen Bau binnen Wochen vollenden könnten.

Noch keine Serienreife

Doch selbst das könnte Jahre entfernt sein: So ist unbekannt, ob Bauteile bereits fertig und in Serie erzeugbar sind. Dazu kommt das Problem Systemintegration: Bauteile sind die eine, die Endmontage die andere Kunst; da tauchen neue Probleme auf, und sogar das einmalige Zusammensetzen gibt nicht automatisch die Fähigkeit zum Serienbau.

Möglicherweise wird die IAEA daher auch im nächsten Jahr erneut „besorgt“ sein über das iranische Atomprogramm.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.04.2012)

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