High-Noon-Stimmung: Nuklearpoker mit Teheran

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High-Noon-Stimmung: Nuklearpoker mit Teheran(c) EPA (Tolga Adanali / Anadolu Agency Pool)
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In Istanbul haben heute neue Verhandlungen über das iranische Atomprogramm begonnen. Sowohl die USA als auch der Iran wollen einen Krieg vor der US-Wahl verhindern. Daher zeigen beide Seiten Verhandlungsbereitschaft.

Unter Diplomaten herrscht High-Noon-Stimmung in Istanbul. Das Atom-Krisentreffen der internationalen Gemeinschaft mit dem Iran am Samstag gilt als Gipfel der letzten Chance. Kann eine Konfrontation mit dem Iran noch abgewendet werden?

Nach Angaben des Sprechers der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton, Michael Mann, haben die Verhandlungen positiv begonnen. "Die Gespräche waren konstruktiv", sagte er am Samstagnachmittag. Nach einer Pause seien bilaterale Treffen angesetzt. Mann hatte in der Früh erklärt, interessante oder neue Vorschläge des Iran seien eine Voraussetzung für die Fortsetzung der Gespräche in kleineren Gruppen.

Rechtzeitig vor den mit Spannung erwarteten Gesprächen zwischen den ständigen Mitgliedern des Sicherheitsrates (USA, Russland, Frankreich, China, Großbritannien) plus Deutschland und dem Iran hatten sich die Anzeichen von Flexibilität gemehrt. Dies gilt vor allem für die USA.

Wie die „New York Times“ vor einer Woche offenbaren durfte, haben die USA für die Verhandlungen eine „dringende Priorität“ formuliert. Demnach soll der Iran auf die Anreicherung von Uran bis 20 Prozent verzichten und bereits auf 20 Prozent angereichertes Uran außer Landes bringen. Denn der Sprung zu den ungefähr 90 Prozent, die man für eine Bombe bräuchte, wäre dann nicht mehr weit. Außerdem soll die neue, in einen Berg gebaute Anreicherungsanlage Fordo bei Ghom geschlossen werden.

Feilschen um den Grad der Anreicherung

Damit sind weitergehende Forderungen an den Iran nicht aufgegeben, was die USA auch gar nicht so leicht könnten, da sie diese bereits in mehrere Resolutionen des Sicherheitsrates geschrieben haben. Doch sie sollen „in Ruhe“ verhandelt werden. Indem die USA eine solche Route für Verhandlungen vorgeben, haben sie dem Iran eine taktische Vorgabe gemacht. Teheran könnte darauf eingehen und die Aufhebung der Sanktionen verlangen, die in der Tat dann auch weit schwerer durchzusetzen wären. Auch die Gefahr eines israelischen Angriffs wäre erst einmal gebannt.

Dem Iran würde die Möglichkeit gelassen werden, Uran auf unter fünf Prozent anzureichern und damit Brennstäbe für seinen Atomreaktor in Bushehr herzustellen.

Damit hätte der Iran beachtliche Zugeständnisse ertrotzt. Schließlich haben die USA noch vor einigen Jahren den Fertigbau von Bushehr strikt abgelehnt. Und der Sicherheitsrat hat den sofortigen Stopp der gesamten Urananreicherung gefordert.

Auch der von dem türkischen Präsidenten Tayyip Erdoğan und dem brasilianischen Präsidenten Lula da Silva im Mai 2010 ausgehandelte Kompromiss sah noch die Verbringung des gesamten angereicherten Materials ins Ausland vor, was nun nicht mehr als „dringende Priorität“ erscheint. Vorerst oder auf immer ausgeklammert bliebe auch das in der Öffentlichkeit wenig beachtete Problem des Schwerwasserreaktors in Arak, in dem Plutonium zum Bau von Bomben erzeugt werden könnte. Die Atomkrise wäre abgekühlt, sie könnte aber in Zukunft an der Frage der Inspektionen oder an Arak wieder hochkochen – und dann eventuell noch schlimmer, weil es schwerfallen dürfte, ein zweites Mal einen Embargodruck wie zurzeit zu entfalten.

Iraner verzichteten auf Vorbedingungen

Der Iran hat sich ebenfalls flexibel gezeigt, indem er zu Verhandlungen bereit ist, ohne wie im Jänner 2011 vorher ein Ende des Embargos zu fordern. Die Schließung von Fordo lehnte der Leiter der Iranischen Organisation für Atomenergie, Fereydoon Abbasi, jedoch umgehend ab. Wenn es keine Drohungen gäbe, bestünde auch kein Bedarf, eine unterirdische Anlage zu bauen, sagte Abbasi im iranischen TV. In der Tat dürften die USA Schwierigkeiten haben zu begründen, warum sie gerade die Schließung der kleinen Anlage in Fordo wollen. Den wirklichen Grund kann man nicht laut sagen. Nämlich dass sich Fordo im Zweifelsfall ungleich schwerer bombardieren ließe als die viel größere Anlage in Natanz.

Einen Tag später sagte Abbasi, der Iran reichere nur zu seinem eigenen Bedarf Uran auf 20 Prozent an und habe nicht die Absicht, mehr zu produzieren oder zu lagern. Offiziell gebraucht wird das Uran für einen Forschungsreaktor bei Teheran, dessen Bedarf jedoch mit den in kurzer Zeit angereicherten 100 Kilogramm für etwa 20 Jahre gedeckt wäre. Damit deutete auch Abbasi Kompromissbereitschaft an.

Spielen die Mullahs wieder auf Zeit?

Allerdings wäre der Iran nicht der Iran, wenn das so einfach ginge. Chefunterhändler Saeed Jalili hat neue Initiativen angekündigt. Das spricht dafür, dass der Iran wieder auf Zeit spielt, weil die Führung in Teheran gemerkt hat, dass es Barack Obama darum geht, eine heiße Krise vor der Präsidentenwahl im November zu vermeiden, er also die Verhandlungen um keinen Preis abbrechen will.

Durch das Embargo ist der Iran zwar erheblich unter Druck geraten. Doch offenbar will man in Teheran erst noch ausprobieren, wie man damit zurechtkommt. Das Angebot, verbilligtes Öl an asiatische Länder wie Indien zu verkaufen, zeigt das klar. Da wäre es nur logisch, auch die Verhandlungen in Istanbul hinzuziehen. Bisher ist zwar nur eine Runde projektiert, aber es könnte noch mehrere geben. Jedenfalls bis sich im November in den USA ein Problem erledigt hat.

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