Nicolas Sarkozy: „Helft mir, helft Frankreich!“

(c) AP (Michel Euler)
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Sarkozy glaubt man nicht mehr, und auch Hollandes Jobversprechungen klingen angesichts der leeren Kassen hohl.

Paris. Nach der Wahl ist vor der Wahl. Denn geht es nach den Meinungsforschern, ist der Ausgang der ersten Runde der Präsidentenwahlen in Frankreich so gut wie entschieden. Auch wenn zehn Kandidaten und Kandidatinnen am Sonntag auf dem Stimmzettel stehen, werden nur zwei am 6. Mai die Stichwahl untereinander ausmachen.

Dass es sich dabei um den Amtsinhaber, den konservativen Präsidenten Nicolas Sarkozy, und den Sozialisten François Hollande handeln soll, steht den Umfragen zufolge schon seit vielen Wochen fest.

Doch ganz so ausgemacht ist die Sache nicht. Die Demoskopen könnten sich täuschen? Dieselben Meinungsforscher sagen nämlich auch, dass 34 Prozent der Befragten noch keine definitive Wahl getroffen haben, dass 48 Prozent der Leute im Verlauf der Wahlkampagne bereits ihre Meinung geändert haben und am Ende mehr als 30 Prozent gar nicht wählen gehen.

Insgesamt hat die Kampagne die meisten Franzosen und Französinnen enttäuscht. Bezeichnend ist darum auch die Antwort der Wähler der beiden Favoriten auf die Frage nach ihrer wichtigsten Motivation. Eine Mehrheit der Hollande-Sympathisanten sagt, sie wolle vor allem Sarkozy abwählen. Auf der Gegenseite erklären viele Sarkozy-Treue, sie wollten mit der Wiederwahl des jetzigen Präsidenten lediglich verhindern, dass mit Hollande die Linke an die Macht gelange.

Gaddafi und das Dossier der Lügen

Dabei taten die Kandidaten ihr Möglichstes, um den Wählern den Traum von einem besseren Leben und einem stärkeren Frankreich zu verkaufen. Dem französischen Magazin „Marianne“ fiel es nicht schwer, ein ganzes Dossier mit den „dicksten Lügen“ in dieser Kampagne zusammenzustellen. Einen prominenten Platz nimmt darin der Präsident ein, der einmal mehr versichert, er habe sich gewandelt und werde „ein anderer Präsident“ (als bisher) sein oder auch alle Reformen verwirklichen, die liegen geblieben sind. Auch wenn er sich angegriffen fühlt, wie beispielsweise wegen seiner wechselhaften Beziehung zu Libyens Ex-Diktator Gaddafi, nimmt er es mit der Wahrheit nicht so genau: „Niemals wäre es für mich infrage gekommen, Gaddafi ein AKW zu verkaufen.“ Dabei sind die Verhandlungen über den von ihm gewünschten Verkauf der Atomtechnologie nach Libyen mit Dokumenten belegt. Sarkozys Problem ist es, dass eine Mehrheit der Franzosen ihm nicht mehr glaubt, weil für sie die nicht gehaltenen Versprechen von 2007 heute wie eine einzige große Lüge klingen.

Hollande kann ohne Bilanz antreten

Nicht viel glaubwürdiger kommt den Franzosen der Vorschlag von Hollande vor, trotz Sparzwängen unter anderem 60.000 Stellen in der Bildung und 150.000 Einstiegsjobs für Junge zu schaffen. Trotzdem verspricht er: „Ich werde nicht der Präsident sein, der sechs Monate nach der Wahl vor die Franzosen tritt und ihnen einen Kurswechsel ankündigt und alle Versprechen verleugnet, weil er mit Schrecken feststellt, dass die Kassen leer sind.“

Hollande hat (wie die anderen acht Herausforderer) den Vorteil, ohne Bilanz antreten zu können. Die Anhänger von Marine Le Pen vom rechtspopulistischen Front National (FN), des Linksfront“-Kandidaten Jean-Luc Mélenchon oder des Zentrumsdemokraten François Bayrou ahnen längst, dass es am Sonntag für die Sensation einer Qualifikation für die Stichwahl nicht reichen wird. Und der dritte Platz, um den sich diese drei am Ende noch stritten, ist nicht mehr als ein Trostpreis.

„We will win, Mr. Obama. You and me“

Am Freitag um Mitternacht hieß es für alle wie im Spielkasino: „Les jeux sont faits, rien ne va plus.“ Die Karten liegen auf dem Tisch, der Wahlkampf ist bis zur Verkündung der Resultate beendet, es darf keine Propaganda mehr gemacht werden. Vor dem Schlusspfiff kam doch noch Hektik auf. Präsident Sarkozy griff zum Telefon und rief seinen Amtskollegen Barack Obama an, der in diesem Jahr auch um seine Bestätigung bangen muss. Grund genug, sich gegenseitig Mut zu machen: „We will win, Mr Obama. You and me. Together!“, rief der Franzose per Videokonferenz nach Washington und ließ diesen Aufruf zur Solidarität unter Staatschefs von seinen Mitarbeitern filmen und an die Medien verteilen. Die Reaktion Obamas ist nicht bekannt.

Angesichts einer drohenden Wahlniederlage sieht Sarkozy Frankreichs Schicksal in Gefahr: „Françaises, Français, aidez-moi, aidez-moi, aidez la France!“ („Helft mir, so helft ihr Frankreich!“). Sarkozy oder das Chaos, das ist auch nach Ansicht von Premierminister François Fillon die wahre Alternative, vor der die Wähler stehen. Im Fall eines Siegs des Sozialisten werde nämlich die Spekulation der Finanzmärkte „Frankreich in zwei Tagen in die Knie zwingen“, dramatisierte Fillon.

Grafik: Die Presse

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.04.2012)

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