Frankreich: Streit um vermeintliche Wahlempfehlung der Muslime

Archivbild: Nicolas Sarkozy schüttelt Vertretern der französischen Muslime die Hand
Archivbild: Nicolas Sarkozy schüttelt Vertretern der französischen Muslime die Hand(c) AP (Philippe Wojazer)
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700 Moscheen sollen dazu aufgerufen haben, Amtsinhaber Sarkozy nicht zu wählen. Dementi kommen von allen Seiten. Hollande erweckt indes mit einem Video mit Rap-Musik die Aufmerksamkeit.

Im französischen Präsidentschaftswahlkampf ist ein Streit über eine angebliche Empfehlung an Muslime entbrannt. Laut Empfehlung sollen sie nicht für den konservativen Amtsinhaber Nicolas Sarkozy zu stimmen. Sarkozy griff am Donnerstag einen Bericht auf, wonach rund 700 Moscheen den Gläubigen ein Votum für den Sozialisten François Hollande empfahlen. Mehrere muslimische Führungspersönlichkeiten bestritten die Existenz einer solchen Empfehlung. Sarkozy sagte dem Radiosender France Inter, auch der umstrittene Schweizer Islamwissenschaftler Tariq Ramadan habe eine entsprechende Empfehlung ausgesprochen.

Ramadan wies die Information umgehend zurück: "Ich habe nie im Leben dazu aufgerufen, für François Hollande zu stimmen", sagte er der Nachrichtenagentur AFP. Er habe den Franzosen lediglich geraten, bei der Stimmabgabe die Bilanz von Sarkozy zu berücksichtigen, "die sehr schlecht ist". Eine Empfehlung stehe ihm als Nicht-Franzosen nicht zu.

Ramadan, der Enkel des Gründers der ägyptischen Muslimbrüder Hassan al-Banna, wuchs in der Schweiz auf und lehrt im britischen Oxford. Er tritt in seinen Büchern für einen reformorientierten Islam ein, seine Kritiker werfen ihm jedoch vor, einen extremistischen Kurs zu verfolgen.

Hollande: "Lügen und Verwechslungen"

Hollande sprach im Radiosender France Info von "Lügen und Verwechslungen". Der Vorsitzende des Rats der Muslime (CFCM), Mohammed Moussaoui, erklärte, ihm lägen keine Informationen über Wahlempfehlungen vor. Der Präsident der Beobachtungsstelle für Islamophobie innerhalb des CFCM, Abdallah Zekri, sagte, er fordere jeden heraus, einen Beweis dafür zu erbringen, dass Moscheen dazu aufriefen, diesen oder jenen Kandidaten zu wählen. Auch der Rektor der Moschee von Lyon, Kaber Kasbtane, bestritt eine Wahlempfehlung zugunsten von Hollande.

Die Zeitschrift "Marianne" hatte auf ihrer Internetseite berichtet, dass muslimische Vertreter in mehreren Großstädten zu einem Votum gegen Sarkozy aufriefen. Dahinter stehe der frühere Sarkozy-Berater Abderrahmane Dahmane, der nach eigenen Angaben ein Netz von 700 Moscheen kontrolliere. Die Zeitschrift zitierte den Leiter einer Pariser Moschee, der sich dafür aussprach, zur Wahl zu gehen, "um unsere Würde gegen die Islam-Angst" zu verteidigen.

Bis zur Stichwahl am 6. Mai bleibt nicht mehr viel Zeit. In allen Umfragen liegt Sarkozy nach wie vor bis zu zehn Prozentpunkte hinter seinem Herausforderer Hollande. Sarkozy bemüht sich derzeit, möglichst viele Wähler der extremen Rechten für sich zu gewinnen, von denen in der ersten Runde am Sonntag 18 Prozent der Präsidentschaftskandidatin Marine Le Pen ihre Stimme gaben. 

Hollande wirbt mit Rap-Video

Hollande liegt in der neuesten Umfrage weiter deutlich vor Amtsinhaber Sarkozy. Nach einer am Donnerstag veröffentlichten Umfrage kommt Hollande auf 55 und Sarkozy auf 45 Prozent.

Im Internet hat indes ein Video vom Besuch des sozialistischen französischen Präsidentschaftskandidaten Francois Hollande in einer benachteiligten Pariser Vorstadt mit dem Song "Niggas in Paris" ("Schwarze in Paris") der US-Rapper Jay-Z und Kanye West Aufsehen erregt. "Wir wollten diesem Wahlkampf einen anderen Blick verleihen und die Hip-Hop-Kultur sprechen lassen", sagte Bruno Laforesterie, Hollandes Berater für Jugendfragen.

In dem Video ist der Favorit der französischen Präsidentenwahl in der Regionalbahn RER sowie bei Wahlkampfveranstaltungen in den benachteiligten Vorstädten Creil, Aubervilliers und Clichy-sur-Bois zu sehen. Dort waren 2005 die Jugendaufstände ausgebrochen, bei denen tausende Autos in Brand gesteckt wurden, nachdem zwei Jugendliche auf der Flucht vor der Polizei in einer Trafostation einen tödlichen Elektroschock erlitten.

Der Clip wurde von einer Gruppe junger Regisseure verwirklicht und den Mitarbeitern erst gezeigt, als er bereits online zu sehen war, hieß es. "Dieses Video richtet sich an eine ganze Generation", betonte Laforesterie

(Ag.)

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