"The Economist" warnt vor "gefährlichem" Hollande

Wahlplakate von Amtsinhaber Sarkozy und Herausforderer Hollande
Wahlplakate von Amtsinhaber Sarkozy und Herausforderer Hollande(c) AP (Claude Paris)
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Der Sozialist sei gefährlich für ganz Europa, so das britische Wirtschaftsmagazin. Seine Erfolgschancen belasten indes die Achse Berlin-Paris. Die rechtspopulistische Marine Le Pen gab die Themen vor, so ein Experte.

Das einflussreiche britische Wirtschaftsmagazin "The Economist" hat vor einem Wahlsieg des sozialistischen Präsidentschaftskandidaten Francois Hollande gewarnt. Er sei "gefährlich" für Frankreich und Europa. Unter dem Titel "Der gefährliche Herr Hollande" schrieb die Wochenzeitung in ihrer am Freitag erschienenen Ausgabe in einem Leitartikel: "Wenn wir eine Stimme hätten am 6. Mai, würden wir sie Herrn (Nicolas) Sarkozy geben, nicht wegen seiner Verdienste, sondern um Hollande zu verhindern."

In Frankreich seien deutliche Reformen nötig, hieß es in dem Bericht unter anderem mit Verweis auf die Staatsverschuldung und die hohe Arbeitslosigkeit. Das Programm von Hollande sei darauf nur eine "armselige Antwort". Zwar lobte "The Economist" Hollandes Widerstand gegen den reinen Sparkurs in Europa, doch lehne der Sozialist wirkliche Reformen ab.

Achse Paris-Berlin ist angeschlagen

Der Streit um den Fiskalpakt der Europäischen Union spitzt sich indes zu. Francois Hollande hob am Donnerstagabend hervor: "Es ist nicht Deutschland, das für ganz Europa entscheiden wird." Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte kurz zuvor die Forderung Hollandes, den Fiskalpakt zur Haushaltsdisziplin neu zu verhandeln und durch ein Wachstumsprogramm zu ergänzen, strikt zurückgewiesen. Der Pakt sei von 25 Regierungschefs unterzeichnet und von den Parlamenten teilweise ratifiziert worden, "er ist nicht neu verhandelbar".

Merkel werde sicherlich eine Reihe seiner Vorschläge ablehnen, sagte Hollande. "Aber so ist das bei Verhandlungen." Er werde keine Politik des "leeren Stuhls" betreiben. Er werde um die jeweilige Position "kämpfen", "verhandeln", "arbeiten", ohne jemanden zu "bedrohen".

Hollande erwartet in der EU viel Unterstützung für seine Position. Im Hinblick auf die zweite Runde der Präsidentschaftswahl in Frankreich am 6. Mai sagte er: "Viele Länder warten derzeit auf die Entscheidung in Frankreich, denn wir sind nicht irgendein Land in Europa, wir sind ein führendes Land in Europa, und was das französische Volk tun wird, wird die Lage beträchtlich verändern."

Sarkozy hat nach jüngsten Umfragen des Instituts CSA um zwei Prozentpunkte aufgeholt und liegt jetzt bei 46 Prozent der Wählerabsichten. Demnach könnte Hollande in der Stichwahl mit 54 Prozent der Stimmen rechnen.

Themenführerschaft für Marine Le Pen

In der Stichwahl wird entscheidend sein, ob der amtierende Präsident Nicolas Sarkozy die Stimmen der rechten Wähler gewinnen kann, die im ersten Wahlgang Marine Le Pen von der Front National gestimmt haben. Le Pen ist in der Stichwahl nicht mehr vertreten. Sie verdanke ihren hohen Stimmanteil - knapp ein Fünftel der Stimmen - den in der Bevölkerung verwurzelten Ängsten vor der Globalisierung und einer Islamisierung sowie ihrer Kritik an der Europäischen Union. Das sagte der französische Historiker Pierre-André Taguieff.

"Marine Le Pen ist in den Augen der Bürger wählbar geworden, weil sie sich der dominierenden Themen bemächtigt und den neofaschistischen Diskurs aufgegeben hat", so Taguieff. Die traditionelle extreme Rechte in Frankreich habe sich immer durch ihren Antiparlamentarismus und ihre Ausländerfeindlichkeit ausgezeichnet. Nach dem Zweiten Weltkrieg habe aber ein starker "republikanischer Konsens" den Nationalismus zurückgedrängt.

Für Taguieff hat die "Nationale Front" unter Marine Le Pen einen Wandel von einer rechtsextremen zu einer "nationalpopulistischen" Partei durchgemacht, die nicht mehr gegen die liberale pluralistische Demokratie agitiere und mit dem Antisemitismus kokettiere. "Früher war der FN eine Gefahr für die Demokratie, aber sie war gänzlich marginalisiert. Heute ist er viel gefährlicher für die französische Gesellschaft, weil er im Begriff ist, die Parteien, die er bekämpft, zu penetrieren".

Auch Hollande umwirbt die Rechte

Nicht nur Sarkozy umgarnt die Wähler von Le Pen. Hollande hat am Donnerstag eine "Begrenzung der ökonomischen Zuwanderung" als "absolut notwendig" bezeichnet. Im Falle seines Wahlsiegs werde er jedes Jahr die Bedürfnisse Frankreichs an Arbeitskräften vom Parlament quantifizieren lassen. "In einer Krisenzeit wie der, die wir durchleben, ist es notwendig, absolut notwendig, dass man die ökonomische Zuwanderung begrenzt."

Hollande kündigte auch an, dass er gegen die Schlepperbanden kämpfen werde, die illegal Arbeitskräfte ins Land bringen. "Es ist nicht normal, dass einige Unternehmen auf zynische Weise illegale Arbeitskräfte verwenden", sagte Hollande. Die Anzahl der ausländischen Studenten will er nicht begrenzen, zumal diese "eine Chance" für das Land seien, so Hollande.

(Ag.)

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