Fronten verhärten sich: Merkel erteilt Hollande Abfuhr

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Die deutsche Bundeskanzlerin will den Vertrag für Budgetdisziplin auf keinen Fall neu verhandeln. Der Favorit für das französische Präsidentenamt fordert aber genau das.

Wien/Berlin/Paris. „Der Fiskalpakt ist nicht neu verhandelbar.“ Es kommt nur selten vor, dass Angela Merkel derart klare Worte findet – vor allem, wenn sie Gefahr läuft, damit einen Streit vom Zaun zu brechen. Doch die Verhandlungen über den Vertrag für mehr Budgetdisziplin in der Europäischen Union haben so viel Schweiß und Nerven gekostet, dass die deutsche Bundeskanzlerin die getroffenen Vereinbarungen um keinen Preis infrage stellen will.

25 Regierungschefs haben den Pakt unterzeichnet. Umso mehr verliert sie langsam die Geduld mit dem Favoriten für die französische Stichwahl am 6. Mai., dem Sozialisten François Hollande. Dieser beharrt hartnäckig darauf, den Fiskalpakt neu aushandeln zu wollen. Hollande fordert eine Lockerung des von Berlin vorgegeben strikten Sparkurses und mehr Bemühungen um Wachstum und Beschäftigung.

„Es ist nicht Deutschland, das für ganz Europa entscheiden wird“, polterte er kurz nach Merkels definitiver Absage zu seinen Plänen am Donnerstagabend. Im Fall eines Sieges werde er der Kanzlerin sagen, dass „das französische Volk eine Wahl getroffen habe, die eine Neuverhandlung des Vertrages vorsieht“. Hollande will um seine Position „kämpfen, ohne aber jemanden zu bedrohen“. Merkel kontert: Das Thema Wachstum sei ohnehin „längst die zweite Säule unserer Politik“. Zudem erfahre sie in Europa viel Unterstützung für ihren finanzpolitischen Kurs.

Das stimmt nur zum Teil. Denn es gibt immer mehr Stimmen in der EU, die der Ansicht sind, dass die strikte deutsche Sparpolitik die Krise nicht löse, sondern eher verschärfe. Zuletzt hat selbst EZB-Präsident Mario Draghi einen Vertrag für mehr Wachstumsimpulse als Ergänzung zum Fiskalpakt gefordert.

Die Fronten zwischen Merkel und Hollande verhärten sich kurz vor der entscheidenden französischen Stichwahl am 6. Mai also noch einmal. Zu einem ersten Eklat ist es bereits zu Beginn des Wahlkampfs gekommen: Merkel hat Hollande kurzerhand einen Korb gegeben, als dieser um ein Treffen bei ihr angesucht hat.

Wettern gegen Merkels Europakurs

Grund dafür war nur zum Teil die uneingeschränkte Unterstützung für den amtierenden konservativen Präsidenten Nicolas Sarkozy, der sich der Wiederwahl stellt und mit dem Merkel in der Krise eng zusammengearbeitet hat. Die Kanzlerin wollte Hollande vor allem dafür bestrafen, dass er kurz zuvor bei einem SPD-Parteitag in Berlin gegen ihren Europakurs gewettert hatte.

Doch auch Merkel weiß: Nur selten wird so heiß gegessen wie gekocht, vor allem wenn eine Wahl einmal geschlagen ist. So hat Hollande bereits durchblicken lassen, dass er sich notfalls auch damit zufriedengeben könne, den Fiskalpakt lediglich um das Thema Wachstum zu ergänzen. In so einem Fall müsste nicht gleich das ganze Dokument neu verhandelt werden, und beide Seiten würden ihr Gesicht wahren.

Merkel auf der anderen Seite versprach, mit jedem französischen Präsidenten – also auch dem Sozialisten – gut zusammenarbeiten zu wollen, weil das der „Verantwortung beider Länder“ entspreche: Deutschland und Frankreich sind die beiden größten Volkswirtschaften der EU. Und sie gesteht Hollande zu, ein „Pro-Europäer“ zu sein. Am Ende steht wohl eine Erkenntnis: Auch bei Sarkozy war es keineswegs Liebe auf den ersten Blick.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.04.2012)

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