Forderung nach EM-Boykott in Ukraine: EU-Länder gespalten

Timoschenko-Tochter befürchtet eine gesundheitliche Verschlechterung ihrer Mutter
Timoschenko-Tochter befürchtet eine gesundheitliche Verschlechterung ihrer Mutter(c) EPA (Filip Singer)
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Timoschenkos Tochter teilt mit, dass sich der Zustand ihrer Mutter verschlechtert. Barroso will nicht zur Fußball-EM in die Ukraine reisen. Auch andere Staatsoberhäupter sagen ab.

Der Umgang mit dem Fall Julia Timoschenko in der Ukraine spaltet Europas Regierungen. Während Deutschland einen politischen Boykott der Fußball-Europameisterschaft in der Ukraine erwägt, falls die in Haft erkrankte Oppositionspolitikerin nicht freigelassen wird, ist eine Absage in anderen europäischen Ländern kein Thema. Ein Zeichen setzen wollen einige Regierungen trotzdem: Mehrere Staatsoberhäupter haben ihre Reisen zu einem geplanten Gipfeltreffen Mitte Mai in der Ukraine abgesagt. Unterdessen mehren sich eineinhalb Wochen nach Beginn des Hungerstreiks die Sorgen um den Gesundheitszustand Timoschenkos.

Die Tochter der früheren Regierungschefin appellierte am Dienstag an ihre Landsleute und bat um Beistand. "Ich wende mich an jeden Ukrainer: Seien Sie nicht gleichgültig!", teilte Jewgenija Timoschenko auf der Internetseite www.tymoshenko.ua mit. Der gesundheitliche Zustand ihrer Mutter verschlechtere sich, sagte Jewgenia Timoschenko am Montag in Prag. Es sei unklar, wie lange sie ihren Hungerstreik noch durchhalten werde: "Wir haben keine Zeit mehr."

Die 32-Jährige begrüßte den angekündigten Boykott des Treffens mitteleuropäischer Staatschefs Mitte Mai im ukrainischen Jalta durch einige EU-Staatschefs als "letzte diplomatische Warnung an das Regime" in Kiew.

"Sport darf nicht wegschauen"

Der deutsche Bundespräsident sowie seine Amtskollegen aus Tschechien, Slowenien und Österreich hatten zuvor ihre Reisen zur Konferenz mitteleuropäischer Staatschefs Mitte Mai in der Ukraine abgesagt. Der tschechische Präsident Vaclav Klaus begründete seine Absage mit Bedenken angesichts der Inhaftierung Timoschenkos. Der Sprecher von Bundespräsident Heinz Fischer, Bruno Aigner, nannte für den Schritt, der bereits vor Wochen erfolgt sei, "terminliche und inhaltliche Gründe". Auch Sloweniens Präsident Danilo Türk führte "andere Verpflichtungen" an.

EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso ließ am Montag mitteilen, er werde das Land nicht zur Fußball-Europameisterschaft besuchen, die die Ukraine ab Juni gemeinsam mit Polen ausrichtet. "Wir hoffen, dass wir Entwicklungen sehen werden, die zu einem Ende dieser sehr, sehr ernsten Lage beitragen können", sagte die Sprecherin des erklärten Fußballfans Barroso, Pia Ahrenkilde Hansen, in Brüssel. Die Mitglieder der EU-Kommission hätten keinen offiziellen Beschluss zu einem politischen Boykott der Ukraine getroffen. Die EU-Behörde sei aber sehr besorgt angesichts der Vorgänge im Land. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel macht eine Visite zur Fußball-EM ebenfalls von der politischen Entwicklung in dem Land abhängig.

Die ukrainische Regierung warnte Deutschland vor einem politischen Boykott des Fußballturniers und lehnte Forderungen nach einer Freilassung von Timoschenko ab. "Ich möchte mir nicht vorstellen, dass deutsche Spitzenpolitiker auf Methoden des Kalten Kriegs zurückgreifen und den Sport zu einer Geisel der Politik machen könnten", sagte ein Sprecher des ukrainischen Außenministeriums der Agentur Interfax.

Neben Deutschland werden auch in Italien Forderungen nach einem EM-Boykott laut. "Wenn Menschenrechte und demokratische Prinzipien verletzt werden, darf der Sport nicht einfach wegschauen", sagte der italienische Sportminister Piero Gnudi. Eine ernsthafte Prüfung eines möglichen Boykotts verlangten auch mehrere Parteienvertreter.

"Ein Zeichen setzen" will auch der österreichische SP-Sportminister Norbert Darabos, der am Dienstag ankündigte, dem Testspiel der österreichischen Nationalmannschaft gegen die Ukraine am 1. Juni in Innsbruck fernbleiben zu wollen. Bereits am Montag hatte man darauf verwiesen, dass es für einen Besuch der EM ohnehin keine Pläne gegeben habe.

Dagegen lehnt Dänemarks Regierung, die derzeit auch die EU-Ratspräsidentschaft innehat, einen Politiker-Boykott von EM-Spielen in der Ukraine ab. Kulturminister Uffe Elbaek schrieb auf seiner Facebook-Seite: "Ich war selbst im Zweifel. Aber meine Antwort lautet, dass ich hinter der Teilnahme unserer Nationalelf bei der EM stehe. Auch durch meine persönliche Anwesenheit." Sprecher der konservativen und rechtsliberalen Opposition verlangten dagegen das Fernbleiben dänischer Politiker von Spielen in der Ukraine.

Schweigen zum Thema herrscht in Bulgarien, Ungarn und Belgien. Die Länder haben sich allerdings nicht für die Euro 2012 qualifiziert. Doch auch in den Teilnehmer-Ländern Frankreich, England, Griechenland, Portugal und Schweden ist ein EM-Boykott kein Thema. Auch in Polen, dem Co-Gastgeberland der Fußball-EM, herrscht Schweigen zu den Boykott-Forderungen.

(APA/Ag.)

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