Ukraine: Deutscher Arzt soll Timoschenko behandeln

Ukrainische Justiz weist Timoschenkos
Ukrainische Justiz weist Timoschenkos(c) Dapd
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Die inhaftierte Politikerin soll ihre vorläufige Zustimmung erteilt haben, dafür in ein Krankenhaus verlegt zu werden. Gerichtsmediziner vermuten indes, dass sich die Oppositionsführerin selbst verletzt haben könnte.

Die inhaftierte Oppositionspolitikerin Julia Timoschenko soll ab Dienstag von einem deutschen Arzt in der Ukraine behandelt werden. Timoschenko habe ihre vorläufige Zustimmung erteilt, dafür in ein Krankenhaus in Charkiw verlegt zu werden, teilte der Chef der Berliner Klinik, Karl Max Einhäupl, am Freitag in Charkiw mit. Ein Mediziner von der Charite werde dann umgehend mit ihrer Behandlung beginnen, wobei er von ukrainischen Ärzten unterstützt werde, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung der deutschen und ukrainischen Ärzte, die Timoschenko zuvor zusammen untersucht hatten.

Einhäupl hatte die 51-jährige Ex-Regierungschefin am Freitag zum dritten Mal im Gefängnis besucht. Die unter einem Bandscheibenvorfall leidende Timoschenko, die sich sei zwei Wochen im Hungerstreik gegen ihre Haftbedingungen befindet, hatte bislang auf einer Behandlung in der Charité bestanden. Auch die Bundesregierung hat wiederholt angeboten, sie in Deutschland behandeln zu lassen.

Timoschenko verbüßt in Charkiw im Osten der Ukraine eine siebenjährige Haftstrafe wegen Amtsmissbrauchs. Der Hungerstreik hat sie nach Angaben ihrer Familie stark geschwächt. Wegen des Umgangs mit Timoschenko wird in Deutschland seit Tagen über einen Politiker-Boykott der Fußball-Europameisterschaft in der Ukraine diskutiert, die im Juni gemeinsam mit Polen Gastgeberland ist

Justiz weist Timoschenkos Vorwürfe zurück

Die ukrainische Justiz hat indes Vorwürfe der inhaftierten Ex-Regierungschefin zurückgewiesen, dass im Gefängnis in Charkow Gewalt gegen sie angewendet worden sei. Gerichtsmediziner seien zu dem Schluss gekommen, dass die Blutergüsse am Körper der Oppositionsführerin nicht am 20. April bei einem erzwungenen Transport in eine Klinik entstanden sein könnten. Das sagte Generalstaatsanwalt Viktor Pschonka am Freitag laut Angaben von Medien in Kiew. Er deutete an, dass sich die 51-Jährige ihre Wunden selbst beigebracht haben könnte.

"Nach Einschätzung der Ärzte können solche Verletzungen nur durch stumpfe Gegenstände entstehen und nicht durch einen Faustschlag, wie Frau Timoschenko behauptet", sagte Pschonka. Die Politikerin hatte aus ihrer Haftzelle heraus Fotos der Blutergüsse veröffentlichen lassen und die Behörden für die Verletzungen verantwortlich gemacht.

Offizielle Vertreter der Ukraine reagierten am Freitag auf die Drohungen von EU-Staaten, die Fußball-Europameisterschaft im Land zu boykottieren sowie ein Abkommen mit der Union auf Eis zu legen. "Ohne Abkommen wird der deutsche Zugang zum ukrainischen Markt begrenzt sein", warnte etwa der Vizepräsident der ukrainischen Regierungspartei, Leonid Koschara, am Freitag. "Deutsche Hersteller werden verlieren," warnte er vor Folgen für die Bundesrepublik.

Polen warnt vor "Missbrauch"

Polen, der Co-Veranstalter der Europameisterschaft, sprach sich unterdessen gegen ein Boykott der Spiele im Nachbarland aus. Der Chef der konservativen Partei "Polen ist am wichtigsten" (PJN) sagte gegenüber der Tageszeitung "Rzeczpospolita", der Fall Timoschenko werde von europäischen Politikern "missbraucht". Diese seien gegen eine Ratifizierung des EU-Assoziierungsabkommens mit der Ukraine und würden das Land nicht gerne in der Europäischen Union sehen.

Der polnische Außenminister Radoslaw Sikorski rief zur Ruhe auf, mahnte die Ukraine aber auch, die vergangenen Tage als "ernsthafte Warnung" zu betrachten. "Ein Schlüsselmoment wird die Qualität der Parlamentswahlen in der Ukraine im Herbst sein", betonte der polnische Außenminister.

(Ag./Red.)

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