Österreichs Regierung boykottiert EM-Spiele in der Ukraine

Michael Spindelegger und Wolfgang Faymann
Michael Spindelegger und Wolfgang Faymann(c) APA/BUNDESHEER/ANDY WENZEL (Bundesheer/andy Wenzel)
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Österreichs Regierungspolitiker werden im Juni nicht zur Fußball-EM reisen. Der Ministerrat verständigte sich auf ein "Zeichen der Solidarität" mit der inhaftierten Oppositionspolitikerin Julia Timoschenko.

Nach einigen anderen europäischen Politikern entschloss sich jetzt auch Österreichs Regierung dazu, keine Spiele der Fußball-EM 2012 in der Ukraine zu besuchen. Darauf hat sich der Ministerrat am Mittwoch geeinigt. Mit dem Boykott soll ein Signal gegen den Umgang der ukrainischen Justiz mit der Oppositionspolitikerin Julia Timoschenko gesetzt werden. Das erklärte Vizekanzler und Außenminister Michael Spindelegger (VP) nach dem Ministerrat.

Die Vorgangsweise im Fall Timoschenko und der fehlende Zugang zur Gesundheitsversorgung sei klar zu verurteilen, sagte Spindelegger. Auch stehe der Vorwurf der "Politjustiz" im Raum. "Es wird keinen österreichischen Regierungspolitiker geben, der an den Spielen teilnimmt, das ist unser Zeichen der Solidarität", hielt der Vizekanzler fest.

Kanzler Faymann: "Sichtbares Signal"

Auch Bundeskanzler Werner Faymann sprach von einem "sichtbaren Signal", um die Besorgnis auszudrücken und erklärte, dass Österreich die deutsche Vorgangsweise unterstütze. Das Regierungsteam habe sich daher gegen einen Besuch ausgesprochen, einen formalen Beschluss brauche es hierfür nicht.

Spindelegger betonte, dass es sich um ein politisches Signal an das Land handle, "es wäre falsch zu sagen, es soll keinen Wettbewerb geben." Mit seinem Amtskollegen möchte er den Fall Timoschenko "natürlich" besprechen.

Dass die Spiele nach Österreich verlegt werden, schlossen der Außenminister und Darabos aus. Dies wäre laut Spindelegger "unrealistisch", auch Darabos kann dem Vorschlag nichts abgewinnen und meinte das wäre organisatorisch unmöglich.

Auch Belgien boykottiert

Am Mittwoch kündigte auch Belgiens Außenminister Didier Reynders an, nicht zu den Spielen in die Ukraine reisen zu wollen. Die Ukraine müsse nun "zeigen, dass das Land zur Gemeinschaft der demokratischen Staaten gehören will." Kroatiens Präsident Ivo Josipovic sagte einen bevorstehenden Besuch bei einem Gipfeltreffen mitteleuropäischer Präsidenten in der ukrainischen Stadt Jalta am 11. und 12. Mai ab.

Zuvor hatten bereits führende Politiker mehrere Staaten den Besuch der EM abgesagt, darunter die Staatschefs von Slowenien, Tschechien und Estland, sowie EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel macht einen Besuch zur Fußball-EM von der politischen Entwicklung in dem Land abhängig. Polen zeigte sich allerdings zurückhalten gegenüber dem Boykott der Spiele, Dänemark lehnt ihn ab. Aus anderen EU-Staaten gibt es bisher keine Stellungnahmen.

Die ukrainische Regierung warnte zuvor vor einem politischen Boykott des Fußballturniers und lehnte Forderungen nach einer Freilassung von Timoschenko ab. Besonders ist die Regierung in Kiew über Deutschland empört, dass zuerst den Boykott in den Raum gestellt hatte. "Ich möchte mir nicht vorstellen, dass deutsche Spitzenpolitiker auf Methoden des Kalten Kriegs zurückgreifen und den Sport zu einer Geisel der Politik machen könnten", sagte ein Sprecher des ukrainischen Außenministeriums.

Der ukrainische Oppositionspolitiker Vitali Klitschko forderte unterdessen die inhaftierte Timoschenko auf, ihren Hungerstreik zu beenden. Er fürchte in Anbetracht von Berichten über die Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes um ihr Leben. Dies hatten zuvor bereits weitere Anhänger von Timoschenko gefordert.

(APA)

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