EM-Boykott? Fall Timoschenko spaltet die EU

EMBoykott Fall Timoschenko spaltet
EMBoykott Fall Timoschenko spaltet(c) AP/Virginia Mayo
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Der deutsche Außenminister betont, dass es kein EU-Assoziierungsabkommen mit der Ukraine geben werde. Polens Staatspräsident warnt dagegen vor einer "unangemessenen Reaktion".

Der Umgang mit dem Fall Julia Timoschenko in der Ukraine spaltet Europas Regierungen. Während Deutschland einen politischen Boykott der Fußball-Europameisterschaft in der Ukraine erwägt, falls die in Haft erkrankte Oppositionspolitikerin nicht freigelassen wird, ist eine Absage in anderen europäischen Ländern wie Dänemark kein Thema. Ein Zeichen setzen wollen einige Regierungen trotzdem: Mehrere Staatsoberhäupter haben ihre Reisen zu einem geplanten Gipfeltreffen Mitte Mai in der Ukraine abgesagt.

Doch nicht nur innerhalb der EU sorgt das Thema für Diskrepanzen, auch innerhalb Polens sind sich die Politiker uneins. So forderte der polnische Oppositionsführer Jaroslaw Kaczynski am Donnerstag: „Auch die polnische Regierung sollte mit dem Boykott des ukrainischen Teils der EM drohen." Der polnische Staatspräsident Bronislaw Komorowski hatte dagegen am Mittwoch einen EM-Boykott als unangemessene Reaktion bezeichnet. „Es besteht das Risiko, dass ein verpfuschtes Fußballfest in der Ukraine durch einen Boykott auch für uns Verlust und vergeblichen Einsatz von Kraft und Geld bedeuten würde", zeigte sich Komorowski besorgt.

Wesentlich mehr Einigkeit herrscht indes in Deutschland: Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel macht einen Besuch zur Fußball-EM von der politischen Entwicklung in dem Land abhängig. Weiters sei man sich einig, „dass das EU-Assoziierungsabkommen mit der Ukraine nicht ratifiziert werden kann, solange sich die Rechtsstaatlichkeit in der Ukraine nicht in die richtige Richtung entwickelt", sagte Deutschlands Außenminister Guido Westerwelle der „Rheinischen Post" (Donnerstagsausgabe).

"Gesprächsfaden nicht durchschneiden"

Westerwelle wandte sich in dem Bericht auch gegen Debatten über eine Verlegung der Fußball-Europameisterschaft in der Ukraine. „Ich rate davon ab, den Gesprächsfaden zu durchschneiden", sagte er. Er sei in großer Sorge um die inhaftierte, erkrankte und in einen Hungerstreik getretene Ex-Regierungschefin. Sie brauche "unverzüglich angemessene medizinische Behandlung". Erneuert bot Westerwelle daher an, dass Timoschenko in Deutschland ärztliche Behandlung bekommen könne.

Der deutsche Europa-Abgeordnete Daniel Cohn-Bendit (Grünen) sprach sich im Fall Timoschenko für ein gemeinsames Vorgehen aus. „EU und UEFA müssen jetzt gemeinsam handeln, etwa durch eine gemeinsame Reise der EU-Außenbeauftragten (Catherine) Ashton und von UEFA-Präsident Michel Platini", sagte er der "Berliner Zeitung" (Donnerstag). Sie sollten den ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch treffen und auch Timoschenko in der Haft besuchen.

Kommt Timoschenko in die Schweiz?

Die Parlamentarische Gruppe Schweiz-Ukraine möchte die gesundheitlich angeschlagene Julia Timoschenko indes in der Schweiz behandeln lassen. In einem Brief schlug sich der Regierung am Donnerstag vor, den ukrainischen Behörden ein entsprechendes Angebot zu unterbreiten. Immerhin, so die Gruppe, hätten auch Ärzte der Berliner Universitätsklinik Charite, welche die 51-Jährige im Gefängnis von Charkiw untersucht hatten, eine Behandlung in einer Spezialklinik empfohlen.

Der Fall Timoschenko

Die ukrainische Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko verbüßt nach einem umstrittenen Strafprozess seit Oktober 2011 eine siebenjährige Gefängnisstrafe. Die frühere Regierungschefin und Widersacherin von Präsident Janukowitsch, die unter einem chronischen Bandscheibenvorfall leidet, befindet sich nach Angaben ihrer Familie seit dem 22. April 2012 im Hungerstreik - aus Protest gegen die Behandlung durch das Personal der Haftanstalt.

(Ag./Red.)

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