Der Hungerstreik schwäche die ukrainische Oppositionsführerin zusehends, sagt ihre Tochter. Europas Politiker wollen aus Protest der EM fernbleiben. Amnesty International hält davon nichts. Deutsche Ärzte besuchen Timoschenko.
Der Gesundheitszustand der hungerstreikenden ukrainischen Oppositionsführerin Julia Timoschenko hat sich nach Einschätzung ihrer Tochter weiter verschlechtert. "Sie ist viel schwächer, als sie noch vor ein paar Tagen war", sagte Jewgenija Timoschenko am Donnerstagabend dem deutschen Fernsehsender ZDF. Nach eigenen Angaben hatte sie ihre Mutter am selben Tag im Gefängnis besucht. Julia Timoschenko müsse liegen und könne sich zurzeit "praktisch gar nicht bewegen". Die Bitten der Familie, den Hungerstreik zu beenden, seien bisher erfolglos. "Sie hat aus verschiedensten Gründen ein Interesse an diesem Hungerstreik", sagte die 32-jährige Jewgenija Timoschenko.
Der Chef der Berliner Universitätsklinik ist nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur am Freitag erneut in die Ukraine gereist. Einhäupl will die inhaftierte Politikerin im Krankenhaus besuchen. Er wird von deutschen Diplomaten begleitet. Bereits im März haben ein Neurologe und ein Orthopäde des Spitals die Oppositionelle im Gefängnis besucht und behandelt. Die deutsche Regierung hat mehrfach angeboten, Timoschenko in Deutschland behandeln zu lassen. Ähnliche Angebote kam aus der Schweiz und von Russlands Präsident Wladimir Putin.
Die 51-Jährige Timoschenko leidet nach Angaben der deutschen Ärzte an einem Bandscheibenvorfall, aus dem sich chronische Schmerzen entwickelt haben. Aus Protest gegen die schlechte Behandlung durch die ukrainische Justiz befindet sie sich seit zwei Wochen im Hungerstreik.
Welle des Protests gegen ukrainische Führung
Die Inhaftierung der früheren Ministerpräsidentin hat in Europa zu einem Konflikt im Umgang mit der Fußball-Europameisterschaft in der Ukraine und Polen geführt. Alle Mitglieder der EU-Kommission haben angekündigt, der Veranstaltung fernzubleiben. Ebenso zahlreiche führende europäische Politiker. Auch Österreichs Regierung will ein Zeichen setzen und nicht zu den Spielen in die Ukraine reisen.
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hält einen Boykott hingegen für den falschen Weg. Stattdessen sollten Politiker und Sportfunktionäre, die in die Ukraine reisten, die Gelegenheit nutzen, um auf die schweren Menschenrechtsverletzungen aufmerksam zu machen und von der ukrainischen Regierung einen besseren Menschenrechtsschutz fordern, sagte der Generalsekretär von Amnesty Deutschland, Wolfgang Grenz, "Handelsblatt Online".
(Ag.)