Griechenland: Zahltag für Sparpakete und fehlende Reformen

(c) EPA (ORESTIS PANAGIOTOU)
  • Drucken

Den einstigen Großparteien laufen die Wähler in Scharen davon. Bei der Parlamentswahl am Sonntag dürfte ihre Stärke halbiert werden. Es profitieren der rechte und linke Rand.

Athen. So ruhig der Wahlkampf in Griechenland verlief, so stürmisch könnten die Tage danach werden – zumindest für die großen Volksparteien. Letzte Umfragen vor der Parlamentswahl am Sonntag sagten der sozialistischen Pasok und der konservativen Nea Dimokratia (ND) ein katastrophales Ergebnis voraus. Beide zusammen könnten demnach mit etwa 40 Prozent rechnen, das wäre ein Verlust von knapp der Hälfte der Wähler seit der Wahl 2009. 37 bis 38 Prozent benötigen sie, um eine regierungsfähige Mehrheit von 151 Sitzen zusammenzubekommen. Das könnte knapp werden. Den Rest der Sitze werden sich bis zu acht Parteien teilen.

Die EU-Partner sorgen sich vor allem um die Stabilität: Sie brauchen eine handlungsfähige Athener Regierung zur Erfüllung der Sparauflagen und zur Durchsetzung der vereinbarten, schmerzhaften Reformen. Auch Pasok und ND setzen den Wählern gegenüber auf Stabilität. Ihre Botschaft an die 20 Prozent Unentschlossenen: wir oder das Chaos! Sowohl Evangelos Venizelos, Spitzenkandidat der Pasok, als auch ND-Chef Antonis Samaras hoffen, dass sich die Wähler in der Einsamkeit der Wahlkabine für die sichere Lösung entscheiden werden.

Verlust der politischen Mitte

„Das werden Strafwahlen“, prognostiziert hingegen Giannis Loulis, prominenter politischer Analyst und Kommunikationsberater: „Ältere Wähler werden vielleicht auf Sicherheit setzen, aber die Jüngeren haben sich von den Großparteien gelöst. Die Dämme sind gebrochen.“ Streng ist sein Urteil vor allem gegenüber der ND, die laut Umfragen mit 25 Prozent stärkste Partei werden dürfte: „Samaras hat im Wahlkampf Fehler gemacht. Er erteilte einer Koalition mit der Pasok eine Absage, obwohl laut Umfragen 70 Prozent der Wähler Koalitionsregierungen wünschen. Außerdem hat die populistische Politik, in der Opposition das erste von der EU verordnete Sparpaket abzulehnen, kleineren EU-feindlichen Parteien den Boden bereitet.“ Inzwischen stützt Samaras die Sparpolitik, seine Partei duldete die Regierung des Technokraten Lukas Papademos, die das zweite Sparpaket und den Schuldenschnitt umsetzte. „Die politische Mitte aber hat die ND verloren“, sagt Loulis. Die Mitte war es, die dem ehemaligen ND-Premier Kostas Karamanlis 2004 und 2007 Wahlsiege bescherte. Nicht umsonst zeigte man Karamanlis, der zweieinhalb Jahre in der Versenkung verschwunden war, zuletzt an der Seite von Samaras.

„Griechenland retten, nicht Pasok strafen“

Gleich zwei Parteien haben sich seit den letzten Wahlen von der ND abgespaltet: die „Demokratische Allianz“ von Dora Bakogianni, die aus der Partei ausgeschlossen wurde, weil sie für das erste Sparpaket stimmte; und die „Unabhängigen Griechen“ von Panos Kammenos, der ausgeschlossen wurde, weil er gegen das zweite Paket stimmte. Vor allem Kammenos macht der ND am rechten Rand inzwischen schwer zu schaffen.

Noch schlechter als für die ND stehen die Zeichen für die Pasok. 2009 hat sie unter Giorgos Papandreou mit 43,9 Prozent der Stimmen triumphiert. Heute liegt sie in Prognosen bei 16. Der Partei wird einerseits die Schnürung von zwei Sparpaketen nach dem 2010 nur knapp abgewendeten Staatsbankrotts angekreidet, andererseits aber das Scheitern der Reformen, die mit den Sparpaketen verknüpft waren. Die Linie seines Nachfolgers Evangelos Venizelos: Es sei nicht an der Zeit, die Pasok zu bestrafen, es gehe darum, Griechenland zu retten.

Linksbündnis auf dem Vormarsch

Strikt gegen die Sparpolitik und gegen die „Auflösung des Sozialstaates“ tritt das Linksbündnis Syriza unter seinem jungen Parteiführer Alexis Tsipras auf. Die Sammlung linker Gruppierungen profitiert vor allem von Protestwählern. Syriza plädiert für eine Aussetzung des Kreditvertrages mit den europäischen Partnern. Die Partei verspürt Aufwind und könnte drittstärkste Kraft werden. Europafreundlicher gibt sich die „Demokratische Linke“ von Fotis Kouvelis. Die Partei ist zwar gegen die „ungerechten“ Sparpakete, will aber die Verpflichtungen gegenüber den europäischen Partnern einhalten – ein potenzieller Koalitionspartner der angeschlagenen Großparteien.

Kompakt und unbeweglich wie eh und je treten die Kommunisten auf, weltweit eine der letzten Parteien sowjetischen Zuschnitts. Nach wie vor sind sie für einen Austritt aus Nato und EU und gegen den Euro. Bemerkenswert ist, dass sie immer noch für bis zu zehn Prozent der Wähler attraktiv ist.

In Bewegung geraten ist der rechte Rand: Die rechtspopulistische „Orthodoxe Volkssammlung“ (Laos) von Giorgos Karatzaferis verlor durch ihre Beteiligung an der Regierung Papademos Stimmen an die rechtsradikale „Goldene Morgenröte“, die sich durch ausländerfeindliche Parolen und „Bürgerwehren“ im Athener Zentrum hervorgetan hat. Sie könnte mit vier Prozent der Stimmen ins Parlament einziehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.05.2012)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Symbolbild
Außenpolitik

Griechenland: Wahlkampf mit Prostituierten

Die Sozialisten in Griechenland versuchen mit einer "Aktion scharf" vor den Parlamentswahlen am kommenden Sonntag, aus dem krisenbedingten Niedergang des Athener Zentrums politisches Kleingeld zu schlagen.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.