Historischer Machtwechsel: Hollande besiegt Sarkozy

Historischer Machtwechsel Hollande besiegt
Historischer Machtwechsel Hollande besiegt(c) AP
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Herausforderer Hollande kommt auf 51,7 Prozent. Er wird der erste sozialistische Präsident Frankreichs seit 17 Jahren. Sarkozy zieht sich aus der Politik zurück.

Der Sozialist François Hollande wird der nächste Präsident Frankreichs: Der Herausforderer erhielt am Sonntag in der Direktwahl 51,62 Prozent der Stimmen, der konservative Amtsinhaber Nicolas Sarkozy kam demnach auf 48,38 Prozent.

Sarkozy gestand seine Niederlage in einer Rede vor seinen Anhängern ein: "Frankreich hat einen neuen Präsidenten".  Indirekt bestätigte er auch seinen bereits angekündigten Ausstieg aus der Politik. Er trage die volle Verantwortung für seine Niederlage und werde künftig wieder ein "Franzose unter Franzosen" sein.

Hollande will Präsident aller Franzosen sein

Mit Hollande zieht der erste sozialistische Präsident seit dem Ende der Amtszeit von François Mitterrand vor 17 Jahren in den Elysee-Palast ein. Vor dem Parteisitz der sozialistischen Partei (PS) feierten bereits am späten Nachmittag hunderte Anhänger. Der Wahlsieger trat zunächst im französischen Tulle vor seine Anhänger.  Jeder Bürger solle künftig "gleich an Rechten und Pflichten" sein, verkündete er. An Sarkozy richtete Hollande einen "republikanischen Gruß". Der Noch-Präsident "verdient all "unseren Respekt", sagte der 57-Jährige versöhnlich. Spätnachts kam er dann auch noch zur Wahlparty auf den Pariser Bastille-Platz. Dort hatte 1789 die Französische Revolution ihren Anfang genommen.

"Ich weiß nicht, ob ihr mich hört. Aber ich höre Euch", rief Hollande der jubelnden Menge von einer Bühne mit heiserer Stimme zu. Er habe den Wunsch nach Veränderung vernommen und werde der Präsident der Jugend und Gerechtigkeit sein. Gleichzeitig forderte der Sozialist seine Anhänger auf, sich auch für einen Sieg der Linken bei den Wahlen zur Nationalversammlung im Juni zu engagieren. Als Präsident brauche er in der ersten Kammer des Parlaments eine Mehrheit.

Die Wahlbeteiligung unter den rund 46 Millionen Stimmberechtigten lag bei 80,34 Prozent und damit etwas unter der vor fünf Jahren. Damals hatten 83,97 Prozent einen Stimmzettel abgegeben. Auffällig bei dieser Wahl war der mit 5,8 Prozent relativ hohe Anteil der ungültigen Stimmzettel. Er wurde auf Protestwähler zurückgeführt. In der ersten Wahlrunde mit zehn Kandidaten hatte am 22. April die Rechtspopulistin Marine Le Pen knapp 18 Prozent der Stimmen geholt. Sie hatte nach ihrem Ausscheiden keine Wahlempfehlung gegeben, sondern nur gesagt, dass sie selbst einen leeren Stimmzettel abgeben werde.

In absoluten Zahlen bekam Hollande in der Stichwahl rund 18 Millionen Stimmen, Sarkozy 16,87 Millionen. 2,15 Millionen Stimmenzettel waren ungültig.

Buhlen um rechtsextreme Wähler erfolglos

Die erste Runde der Präsidentschaftswahlen am 22. April hatte Hollande mit weniger als zwei Prozentpunkten Vorsprung gewonnen. Sarkozy versuchte danach, vor allem die Wähler der rechtsextremen Front National (FN) auf seine Seite zu ziehen. FN-Chefin Marine Le Pen hatte in der ersten Runde mit knapp 18 Prozent das beste Ergebnis aller Zeiten für ihre Partei erzielt. Sie sprach vor der Stichwahl aber keine Empfehlung für Sarkozy aus. Stattdessen gab sie einen leeren Stimmzettel ab.

Auch der Kandidat der Zentrumspartei Mouvement Democrate, François Bayrou, der in der ersten Runde auf gut neun Prozent gekommen war, versagte Sarkozy die Unterstützung. Er empfahl, Hollande zu wählen.

Die Amtszeit Sarkozys endet offiziell am 15. Mai um Mitternacht. Der scheidende Staatschef gab am Montag bekannt, seinem Nachfolger die Amtsgeschäfte an diesem Tag übergeben zu wollen. Bereits am Dienstag soll Hollande zusammen mit Sarkozy an den Feiern zum Gedenken an das Ende des Zweiten Weltkrieges teilnehmen.

Merkel gratuliert Hollande per Telefon

Außenpolitisch dürfte sich mit dem Wahlsieg Hollandes einiges ändern: Der Sozialist will den EU-Fiskalpakt für mehr Haushaltsdisziplin um eine Wachstumskomponente ergänzen. Am Sonntagabend versicherte aber der deutsche Regierungssprecher Steffen Seibert, dass Merkel und Hollande "eine gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit anstreben". Die Kanzlerin habe Hollande in einem Telefonat bereits zum Wahlsieg gratuliert und ihn eingeladen, bald nach seiner Amtseinführung nach Berlin zu kommen. Genau das hat Hollande auch vor, wie er im Wahlkampf mehrmals betont hatte.

Seine Forderung nach einem Wachstumspakt dürfte der Sozialist jedenfalls in der einen oder anderen Form durchbringen. "Wir haben einen Fiskalpakt. Jetzt wollen wir einen Wachstumspakt für mehr Wettbewerbsfähigkeit hinzufügen", erklärte der deutsche Außenminister Guido Westerwelle am Sonntag.

Spekulationen über künftige Regierung

Am Tag nach dem ersehnten Sieg bereiten sich die französischen Sozialisten auf die Machtübernahme vor. In den Medien zirkulierten bereits etliche Namen von Spitzenpolitikern, denen guten Chancen auf Top-Posten in der künftigen Regierung zugesprochen werden. Als Favorit für das Amt des Premierministers wird Hollandes Sonderberater Jean-Marc Ayrault gehandelt. Der ehemalige Deutschlehrer und langjährige Fraktionschef der Sozialisten in der Nationalversammlung gilt als moderate Alternative zu Parteichefin Martine Aubry. Zudem werden ihm gute Drähte nach Berlin nachgesagt.

Als weitere mögliche Kandidaten für Spitzenposten handelten die Medien am Montag Ex-Premierminister Laurent Fabius (Außenminister) und Hollandes Kommunikationschef Manuel Valls (Innenminister).

(Ag./Red.)

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