Linkswende in Frankreich

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Die Euphorie des Siegers Hollande wird nur kurz währen. Das Land steht unter enormem wirtschaftlichen Druck.

[PARIS/RB] Als eine der Ersten gratulierte Ségolène Royal. Vor fünf Jahren war sie bei der Präsidentenwahl gegen Nicolas Sarkozy untergegangen. Am Sonntag triumphierte ihr ehemaliger Lebensgefährte François Hollande. Es war ein deutlicher Sieg. Der Sozialist gewann mit rund 52 Prozent der Stimmen.

Noch am Wahlabend gab Sarkozy in einer emotionalen Ansprache seinen Abschied aus der Politik bekannt. Die Strategie des Gaullisten, im Finish um Stimmen des rechtsextremen Front National (FN) zu buhlen, war nicht aufgegangen. Die Chefin des FN, Marine Le Pen, hatte den bisherigen Präsidenten eiskalt auflaufen lassen und ihren Anhängern empfohlen, weiß zu wählen. Sie wittert nun ihre Chance, aus den Ruinen von Sarkozys Regierungspartei UMP zur neuen Galionsfigur der Rechten aufzusteigen.

Der Jubel bei den Sozialisten war groß. Zum ersten Mal seit François Mitterrand (1981 bis 1995) hat Frankreich wieder einen linken Staatschef gewählt. François Hollande feierte seinen Sieg an der Seite seiner Partnerin, der Journalistin Valérie Trierweiler, zuerst in seiner Wahlheimat Tulle in der Corrèze. Anschließend flog Hollande nach Paris. Auf dem historischen Bastille-Platz hatte sich eine riesige Menschenmenge eingefunden. Die Accessoires, rote Rosen oder Nelken und den Champagner zum Anstoßen, hatte das linke Paris bereits siegesgewiss vorbereitet.

Doch die Euphorie wird wohl nicht lange währen. Frankreich befinde sich in einer Krise, erinnerte Pierre Moscovici, der sozialistische Kampagnenleiter, nüchtern in der Stunde des Triumphs. Hollande hat nicht viel politischen Spielraum. Doch an einigen seiner Wahlversprechen wird er wohl festhalten müssen, zumindest bis zur Parlamentswahl am 10. und 17.Juni. Der neue Präsident kündigte nicht nur eine Reichensteuer von 75 Prozent für Einkommen über einer Million Euro an. Er will in den kommenden fünf Jahren auch 60.000 Stellen im Bildungsbereich schaffen und 150.000 Einstiegsjobs für Jugendliche subventionieren. Wie er seine ehrgeizigen Vorhaben finanziert, ist unklar. Frankreich ist hoch verschuldet. Es wird damit gerechnet, dass die Ratingagentur Moody's das Land demnächst herabstuft.

„Sparen darf nicht Verhängnis werden"

Auf Europa kommen interessante Zeiten zu. Denn Hollande will den EU-Fiskalpakt aufschnüren und um einen Wachstumspakt ergänzen. Noch am Wahlabend telefonierte der neue Staatschef mit der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel, die im Wahlkampf Sarkozy unterstützt hatte. Am anderen Ende der deutsch-französischen Achse hat sie nun einen Partner, der ihren Sparkurs bremsen will. „Das Sparen darf uns in Europa nicht mehr zum Verhängnis werden", sagte Hollande in einer ersten Siegesrede.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.05.2012)

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