Athen: Erster Anlauf zur Regierungsbildung gescheitert

Greek conservative party leader Antonis Samaras arrives at the headquarters of his party in Athens
Greek conservative party leader Antonis Samaras arrives at the headquarters of his party in Athens(c) REUTERS (John Kolesidis)
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"Nea Dimokratia"-Chef Antonis Samaras gab schon am Montagabend die Koalitionsgespräche mit den Sozialisten und dem Linksbündnis "Syriza" auf. Nun dürfte letzteres den Sondierungsauftrag erhalten.

Sieger sehen anders aus: Die konservative Nea Dimokratia (ND) als stärkste Partei im neuen griechischen Parlament erhielt bei der Wahl am 6. Mai lediglich 18,6 Prozent der Stimmen. Eigentlich ein vernichtendes Ergebnis für die einstige Großpartei, die noch bei ihrer Niederlage 2009 über 33 Prozent erhielt. Laut Verfassung musste ND-Chef Antonis Samaras von Staatspräsident Karolos Papoulias mit der Bildung einer Regierung betraut werden und das binnen drei Tagen schaffen - das aber scheiterte am Montagabend vorerst.

Samaras erklärte seine Sondierungsgespräche mit Alexis Tsipras, dem Chef der zweitstärksten Partei „Bündnis der Radikalen Linken" (Syriza), nach wenigen Stunden für gescheitert. Er sei nicht in der Lage, eine Regierung zu bilden. Beide Parteichefs sagten, sie lehnten die Programme der jeweils anderen Seite klar ab. Tsipras sprach sich erneut gegen das Sparprogramm aus. Ein Treffen Samaras' mit dem Chef der Sozialisten (PASOK), Evangelos Venizelos, blieb ebenfalls ohne konkretes Ergebnis.

Samaras hatte versucht, eine Regierung der „nationalen Rettung" zu schmieden und mit dieser auch für eine Änderung des Kreditvertrages mit den Gläubigern des praktisch bankrotten Staates kämpfen wollen - doch dürfte ihm Präsident Papoulias nun das Heft aus der Hand nehmen: Man erwartet, das dieser heute das Sondierungsmandat an Syriza-Chef Tsipras erteilen wird. Sollte der binnen drei Tagen scheitern, würde PASOK-Chef Venizelos am Zuge sein.

Die PASOK, an sich „natürlicher Koalitionspartner" der ND, wurde indes von den Wählern brutal bestraft. Die Partei, die in der alten Regierung für die Unterzeichnung zweier Kreditverträge und die Vollstreckung der folgenden, oft als unfair empfundenen Sparmaßnahmen verantwortlich ist, wurde mit 13,2 Prozent der Stimmen (41 Sitze im Parlament) auf eine Kleinpartei gestutzt. 2009 bekam sie noch an die 44 Prozent.

ND und Pasok haben aber gemeinsam nicht die Mehrheit im 300-köpfigen Parlament. Wahrscheinlichster dritter Koalitionspartner für ND und Pasok ist daher die „Demokratische Linke" (Dimar) von Fotis Kouvelis, einem ehemaligen Eurokommunisten. Doch die Partei ziert sich. Kouvelis meinte, er wolle nicht zu einem „demokratischen, linken Alibi" für die Kräfte werden, die das Land an den Abgrund führten. Doch der Druck ist groß: An Dimar liegt es, ob eine tragfähige Regierung zustande kommt, die die nächste Kredittranche der internationalen Geldgeber in Empfang nehmen kann.

Bannerträger der Revolution

Der jugendliche, sprachgewandte Alexis Tsipras vom Linksbündnis Syriza ist der wahre Sieger der Wahl. Sein Kurs - ja zu Europa, nein zum Kreditvertrag - kam bestens an. Die frühere Kleinpartei stieg mit 52 Sitzen (16,8 Prozent) zur zweitstärksten Macht auf. Tsipras nahm denn auch das Wort „Revolution" in den Mund und erklärte sich in der Art eines Volkstribuns zum Vorreiter eines neuen Europas. Die Griechen hätten ein „starkes Zeichen für einen Richtungswechsel in Europa gesetzt", glaubt er. Schon bei der Stimmabgabe am Sonntag sagte er: „Das Volk wird seine Unterschrift setzen. Die Unterschriften, die andere in seinem Namen gesetzt haben, zählen nicht." Wie er ohne das Geld der Gläubiger Pensionen und Gehälter zahlen will, erklärt er nicht.

Kommunisten koalieren nicht

Tsipras will eine linke Koalition zustande bringen, möglicherweise mit Unterstützung der rechtspopulistischen „Unabhängigen Griechen" von Panos Kammenos, einer Abspaltung der ND, die auf 10,6% kam. Kammenos wollte nur „tot" mit seinen Intimfeinden von der ND koalieren. In Bezug auf die linken Parteien war er weniger strikt. Die streng marxistisch-leninistische Kommunistische Partei jedenfalls erteilte einer Linkskoalition bereits eine klare Absage.

Das Parteiensystem seit 1974 ist mit den Wahlen vom 6. Mai zerbrochen, die alten Parteiloyalitäten zählen nicht mehr. Analytiker sehen die heutige Pattstellung als Zeichen des Übergangs in ein System mit neuen politischen Kräften. Das birgt Gefahren, wie der Aufstieg der rechtsextremistischen „Goldenen Morgenröte" (Chrysi Avgi) zeigt, die mithilfe von Proteststimmen gegen die Sparpakete von einer ausländerfeindlichen Schlägertruppe zur Parlamentspartei gemacht wurde. Der jetzige Innenminister Tasos Giannitsis meinte vor einiger Zeit, dass derzeit die Zugehörigkeit Griechenlands zum Modell Europa auf dem Spiel steht. Nicht alle Parteiführer erwecken den Eindruck, als wäre ihnen das bewusst.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.05.2012)

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