Athen: Radikale begraben "Traum von linker Regierung"

Tsipras (links) und Venizelos
Tsipras (links) und Venizelos (c) EPA (Simela Pantzartzi)
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Griechenland scheint sich auf Neuwahlen einzurichten: Die Radikalen Linken einigen sich weder mit Sozialisten noch mit Konservativen. Nun suchen die Sozialisten nach einer Koalition.

ATHEN/c.g./red. Mittwochnachmittag traf sich Alexis Tsipras, Chef des Linksbündnisses (Syriza) und überraschend Zweiter der griechischen Parlamentswahlen vom Sonntag, mit Antonis Samaras, Chef der Konservativen (Nea Dimokratia, ND) zu Sondierungsgesprächen über die Bildung einer Regierungskoalition. Kurz vor 20 Uhr kam dann das – wenig überraschende – Ergebnis: Die beiden konnten sich nicht auf die Bildung einer Regierung zusammen mit anderen Kräften im Parlament einigen. „Herr Tsipras will etwas völlig anderes als wir“, sagte Samaras. „Er will das Sparpaket für null und nichtig erklären. Das wird eine Katastrophe für das Land sein“, meinte der Vorsitzende der Konservativen. Seine Partei sei bereit, jede Regierung zu unterstützen – allerdings nur unter der Voraussetzung, dass Griechenland im Euroland bleibe. Der Syriza-Chef will nun am Donnerstag das Sondierungsmandat zurückgeben. "Wir können unseren Traum von einer linken Regierung nicht umsetzen", sagte er am Mittwochabend in Athen.

Venizelos will „Regierung der Hoffnung“

Als nächste wollen die Sozialisten Sondierungsgespräche zur Regierungsbildung führen. Und damit kommt Sozialistenchef Evangelos Venizelos ins Spiel. Er werde am Donnerstag von Staatschef Karolos Papoulias mit der Regierungsbildung beauftragt, sagte der Chef der Pasok-Partei Mittwochabend. Bei einem Gespräch mit Tsipras habe sich gezeigt, „dass derzeit keine eindeutige Lösung zu erreichen ist“, erklärte Venizelos. Er wolle daher „eine Regierung der Hoffnung, der Sicherheit und der Perspektive bilden. Ich habe die Kooperation aller Parteien vorgeschlagen, die für den Verbleib im Euroland sind“, so Venizelos. Das schließe das Bündnis der Linken ein. Tsipras habe ihm die Bildung einer breiten Regierung angeboten, die aber alle Sparmaßnahmen auf Eis legen solle. Dies habe er aber abgelehnt.

Schon vor den Sondierungsgesprächen hatte Tsipras erklärt, der Kreditvertrag müsse angefochten, die Rückzahlungen an die Gläubiger ausgesetzt werden. Denn, so Tsipras, das Volk habe bei den Wahlen einer „barbarischen“ Politik der „Verelendung“ breitester Bevölkerungsschichten eine Absage erteilt. Er werde sich nicht unter dem Deckmantel einer Regierung der „nationalen Rettung“ zur Erfüllung der Auflagen der Sparpolitik missbrauchen lassen. Wichtige Punkte seines Wirtschaftsprogramms: Umverteilung der Steuerlast, Aussetzung der Gesetze, die Kollektivvertrag und Arbeitsgesetzgebung aushöhlen, Verstaatlichung der Banken, das einfache Verhältniswahlrecht – und ein Schuldenmoratorium.

Samaras: „Unglaublicher Hochmut“

Samaras konterte ebenfalls aggressiv: Die Nea Dimokratia sei bereit gewesen, eine linke Regierung unter Tsipras im Parlament zu dulden, aber man habe erkennen müssen, dass dieser „in keiner Weise bereit ist, die europäische Identität des Landes zu garantieren“. Tsipras deute das Wahlergebnis mit „unglaublichem Hochmut“ als „Auftrag, das Land ins Chaos zu stürzen“.

Die Konservativen, so Samaras weiter, wollten Änderungen im Kreditvertrag verhandeln, Tsipras aber wolle den Vertrag aussetzen, und das sei der „direkte Weg zum Ausscheiden aus der Eurozone“. Er beschuldigte Tsipras, eine antieuropäische Front aufbauen zu wollen, appellierte andererseits aber selbst an zentrumskonservative Parteien und Gruppierungen, eine „Front“ mit seiner Partei zu bilden.
Erst kürzlich spalteten sich die „Unabhängigen Griechen“ unter Panos Kammenos von der Nea Dimokratia ab und erreichten über zehn Prozent der Stimmen. Kleinere liberale Parteien hingegen schafften den Einzug ins Parlament nicht.

Bleiben letztendlich aber auch Venizelos' Bemühungen fruchtlos, wird Staatschef Karolos Papoulias Allparteiengespräche unter seinem Vorsitz einberufen, um eine Lösung zu finden. Sollte diese aber bis zum 17. Mai nicht absehbar sein, muss das Parlament neu gewählt werden. Ein möglicher Wahltermin wäre Mitte Juni.

Warnungen von Westerwelle und Asselborns

Indes drohte am Mittwoch Deutschlands Außenminister Guido Westerwelle Griechenland ein Aussetzen der Hilfstranchen an, sollte das Land von seinem rigorosen Sparkurs abweichen. Ob das schwer verschuldete Land in der Eurozone bleibe, liege „in den Händen Griechenlands“, so der FDP-Politiker. Und Luxemburgs Außenminister Asselborn warnte Griechenland vor einer „Katastrophe“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10. Mai 2012)

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