Breivik-Prozess: Spontanapplaus für Schuhwerfer

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Am sechsten Prozesstag kam es zu einem ersten Gefühlsausbruch im Prozess gegen Anders Breivik. Richterin Wenche Arntzen verlor kein unnötiges Wort über den Zwischenfall.

Kopenhagen/Gam. Eklat ist ein zu hartes Wort für einen Schuh, der gegen einen Mann fliegt, der 77 Menschen ermordet hat. Doch im Prozess gegen den rechtsradikalen Massenmörder Anders Breivik ist es am Freitag zu einem ersten unregulierten Gefühlsausbruch gekommen. Ein Mann sprang von der für Angehörige der Opfer reservierten Bank auf, schrie „Mörder“ und schleuderte seinen Schuh in Richtung des Angeklagten. Er traf dessen Verteidigerin Vibeke Hein Bæra, verletzte sie aber nicht.

„Du hast meinen Bruder ermordet, fahr zu Hölle“, rief der Mann auf Englisch, als er von zwei Gerichtsbeamten aus dem Saal geführt wurde. Von chaotischer Stimmung berichteten Anwesende nachher, doch dann klatschten einige der Betroffenen dem schluchzenden Abgeführten Beifall, „endlich“ riefen andere, und Kommentatoren meinten, die Episode habe „befreiend“ gewirkt nach einer Woche der unterdrückten Gefühle, in der das Gericht und die Zuhörer die Obduktionsberichte von jedem einzelnen der 69 auf Utøya Ermordeten zu hören bekamen. Der 18-jährige Bruder des Schuhwerfers war einer der Toten.

Sechs Prozesstage lang analysierten die Gerichtstechniker die Todesursachen der Erschossenen, die meisten von ihnen waren durch Kopf- und Nackenschüsse regelrecht hingerichtet worden. Als „hart, lange, aber notwendig“ bezeichnete Christin Bjelland, Vizevorsitzende des Opferverbandes, die Aufbereitung. „Ihr könnt auf mich werfen, wenn ich rein- und rausgeführt werde, ihr braucht nicht meine Verteidiger zu treffen“, wandte sich Breivik höhnisch an die Zuhörer. Richterin Wenche Arntzen verlor kein unnötiges Wort über den Zwischenfall. „Wir setzen fort“, sagte sie nur.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.05.2012)

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