Spanien: "Wir geben nicht auf, kommen wieder"

(c) AP (Daniel Ochoa de Olza)
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Mit Massenprotesten gegen Banken meldet sich die spanische Protestbewegung zurück und will bleiben - trotz Räumungen durch die Polizei. Spaniens Krise hat Millionen Menschen arbeitslos gemacht und in den Ruin getrieben.

Madrid. Auf dem weißen Transparent prangt nur ein großes Wort des Protestes: „Diebe“. Dahinter reckt ein junger Mann ein Pappschild hoch mit dem Text: „Schluss mit dem Bankenbetrug.“ Ein anderer ruft: „Gebt uns unser Geld zurück.“ Der heftige Unmut über die fragwürdige Rolle der spanischen Banken in der tiefen Finanz- und Wirtschaftskrise des Landes war nicht zu übersehen. An diesem Wochenende machte Spaniens junge Generation der „Empörten“ mit Massendemonstrationen in vielen Städten erneut klar, dass sie nicht zu schweigen gedenkt. Allein in Madrid und Barcelona gingen mehr als 100.000 Menschen auf die Barrikaden.

Gerade erst hatte Spaniens Regierung die Großbank Bankia per Verstaatlichung und mit Milliardenhilfen retten müssen. Umfragen lassen wenig Zweifel daran, dass gut zwei Drittel der Bevölkerung dagegen sind, jenen Geldhäusern mit Steuergeldern unter die Arme zu greifen, die sich mit Immobilienspekulationen übernommen und Spanien in die Krise geritten haben. Einige Demonstranten in der Hauptstadt Madrid trugen „Kapitalismus-Brillen“, auf deren Gläsern Dollar- und Eurosymbole klebten. „Kein einziger Euro für die Banken“, lautete eine der Parolen, die auf den Straßen immer wieder gerufen wurde.

Die Wut auf der Straße über die Geldinstitute ist auch deswegen groß, weil es für viele Spanier so aussieht, als ob der kleine Mann nun die Rechnung für „Exzesse, Korruption und Spekulation“ bezahlen müsse. Und Zorn erregt auch, dass die Bankiers derzeit gnadenlos zigtausende Bürger via Räumungsklage aus den eigenen vier Wänden werfen, weil die Betroffenen, nachdem sie ihren Job verloren haben, ihre Hypotheken nicht mehr bezahlen können. Allein im vergangenen Jahr gab es 60.000 solcher Zwangsräumungen.

Hälfte der Jugend arbeitslos

Spaniens Krise, die durch einen gigantischen Immobiliencrash ausgelöst wurde, hat Millionen Menschen arbeitslos gemacht und in den Ruin getrieben. Die Arbeitslosigkeit liegt heute bei fast 25Prozent, bei den unter 25-Jährigen ist jeder zweite ohne Stelle. Durch die Überschuldung des Staates sieht sich die konservative Regierung von Ministerpräsident Mariano Rajoy zudem gezwungen, den Bürgern immer härtere Kürzungen zu verordnen. Auch im Bildungs- und Gesundheitswesen sowie bei Sozialleistungen wird angesetzt.

Das Epizentrum der spanischen „Indignados“ (Empörten) befindet sich im Herzen Madrids auf dem Platz „Puerta del Sol“. Dort begann vor genau einem Jahr der Aufschrei der Jugend, die wegen ihrer Perspektivlosigkeit von den Soziologen als „verlorene Generation“ bezeichnet wird. „Seitdem hat sich nichts geändert“, meint ein junger Mann Mitte zwanzig, der sich als Carlos vorstellt: „Im Gegenteil, die Lage ist sogar noch schlimmer geworden.“

Eine Gruppe von Demonstranten lässt im Zentrum Madrids als Zeichen des Protestes die Hosen runter. Ihre nackten Tatsachen verstecken sie hinter einem Transparent mit dem Schriftzug „Gegen die Kürzungen“. Hunderte Schilder mit der klaren Botschaft „No“ leuchten über den Köpfen der Demonstranten im Sonnenlicht. Dann werden auf Kommando Arme und Hände nach oben gestreckt: „Wir haben keine Angst. Das sind unsere Waffen“, schallt es aus der Menge in Richtung jener Polizeieinheiten, welche sich rings herum postiert haben.

Die Beamten sollen verhindern, dass sich die Demonstranten wie im Vorjahr mit einem Zeltlager wochenlang auf Spaniens berühmtestem Platz einrichten. Am Sonntagmorgen, als nach einer langen Protestnacht die „Empörten“ nicht nach Hause gehen wollen, räumen die Beamten die „Puerta del Sol“ und vertreiben die Menge. „Wir geben nicht auf, kommen wieder“, lautet die Antwort. Nur wenige Stunden später, am Sonntagnachmittag, waren auf dem Platz wieder neue Protestrufe zu hören.

Auf einen Blick

Die spanische Protestbewegung hat nicht an Kraft eingebüßt. Allein in Madrid und Barcelona gingen am Wochenende wieder mehr als 100.000 Menschen auf die Straße. Die „Empörten“ protestieren gegen soziale Kürzungen und die staatliche Stützung jener Großbanken, die sie für die gewaltige Immobilienblase verantwortlich machen. Der Immobiliencrash ab 2007 hatte eine Massenarbeitslosigkeit ausgelöst.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.05.2012)

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