Mladic-Prozess in Serbien nahezu ignoriert

Ratko Mladic
Ratko Mladic(c) AP (Valerie Kuypers)
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Der Haager Angeklagte wurde vor knapp einem Jahr in Serbien festgenommen. Dort gilt er als "wichtige historische Persönlichkeit". Der Prozess könnte zur Aufarbeitung beitragen.

Ratko Mladic war jahrelang der am meisten gesuchte Angeklagte des UN-Tribunals für Kriegsverbrechen in Jugoslawien (CTY). Vor knapp einem Jahr wurde er in Lazarevo, einem Dorf in der nordserbischen Provinz Vojvodina, gefasst. Wenige Tage später wurde der ehemalige Militärchef der bosnischen Serben an das Haager Gericht überstellt. Seit Mittwoch läuft der Prozess gegen ihn.

Während TV-Sender er in beiden bosnischen Landesteilen, der größeren Bosniakisch-Kroatischen Föderation und der kleineren Serbischen Republik live übertragen wurde, kam der Prozess in Serbien über kurze Medienberichte nicht hinaus. Zuvor hatte es jahrelang Spekulationen gegeben, wonach ein Prozess gegen Mladic zu blutigen Auseinandersetzungen führen könnte. Mladic wird in Serbien keineswegs geächtet.

Eine im Februar durchgeführte Umfrage zeigte, dass nur 23 Prozent der Serben der Meinung sind, dass sich der Ex-Militärchef der bosnischen Serben der ihm angelasteten Kriegsverbrechen schuldig gemacht hat. Eine große Mehrheit - an die 70 Prozent - glaubten demnach, dass die Haager Prozesse nicht zur Versöhnung beitragen. Auch von serbischen Politikern und den Behörden, die es bis dato unterlassen haben, die Öffentlichkeit über die Verstecke Mladics während seiner 16-jährigen Flucht genauer zu informieren, wurde der Prozessbeginn nicht kommentiert.

Mladic als "wichtige historische Persönlichkeit"

"Ratko Mladic war Befehlshaber der bosnisch-serbischen Streitkräfte und hatte Verantwortung und Verpflichtungen. Er war verpflichtet, in seinem Amt die Gesetze und die Normen der Kriegsführung zu beachten. Sollte er dies verletzt haben, so muss er zur Verantwortung gezogen werden. Das Gericht wird dies entscheiden", meinte Milorad Dodik, der Präsident der Serbischen Republik, in der vergangenen Woche ausweichend. Er verwies gleichzeitig darauf, dass für viele bosnische Serben der 70-jährige pensionierte General weiterhin eine "wichtige historische Persönlichkeit" bleiben werde.

Die Leiterin des Belgrader Fonds für humanitäres Recht Natasa Kandic hofft, dass im Prozess gegen Mladic auch einige neue Tatsachen über den Bosnien-Krieg (1992-95) an den Tag kommen werden. Sollte dem so sein, wird dies ein vollständigeres Bild über die Verantwortung für die angerichteten Kriegsverbrechen liefern. Auch die Rolle Serbiens und seiner Streitkräfte in diesem Krieg dürfte in ein neues Licht rücken, glaubt Kandic.

Der Internationale Gerichtshof (IGH) hatte aufgrund einer Klage Bosniens das Massaker von Srebrenica im Februar 2007 als Völkermord eingestuft. Gleichzeitig wurde Serbien von Völkermordsvorwürfen freigesprochen. Die serbischen Behörden hätten allerdings nicht alles, was in ihren Kräften lag, unternommen, um den Genozid zu verhindern, stellte der IGH fest. Sarajevo hat noch knapp zwei Jahre, um gegen das Urteil zu berufen.

(Ag.)

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